Johannes Rudolph, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Chemnitz, beobachtet den 3D-Druck von Gehäusen für leistungselektronische Bauelemente.

Johannes Rudolph, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Chemnitz, beobachtet den 3D-Druck von Gehäusen für leistungselektronische Bauelemente. (Bild: Jacob Müller)

Forschenden der Professur Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe an der Technischen Universität Chemnitz ist erstmals der 3D-Druck und das nachfolgende Sintern von Gehäusen für leistungselektronische Bauelemente gelungen, die etwa zur Ansteuerung elektrischer Maschinen in der Industrie dienen. Nach gedruckten keramisch isolierten Spulen und einem gedruckten Motor aus Eisen, Kupfer und Keramik hat die TU Chemnitz damit einen weiteren wichtigen Baustein für eine komplette Antriebstechnik aus additiver Fertigung geschafft.

Was ist additive Fertigung?

Additive Fertigung - umgangssprachlich oft auch 3D-Druck genannt - bezeichnet Herstellungsverfahren, bei denen Material Schicht für Schicht aufgetragen wird, um dreidimensionale Gegenstände zu erzeugen. Das "additiv" versteht sich in Abgrenzung zu klassischen Fertigungsverfahren, bei denen etwa durch Vorgänge wie Bohren oder Fräsen Material von einem Rohling entfernt ("subtrahiert") wird.

 

Die additive Fertigung umfasst eine Vielzahl von Verfahren und Materialien. Die Palette reicht vom Aufschmelzen eines Kunststoff-Drahtes auf ein bewegliches Bett (Fused Deposition Modeling) bis zum selektiven Sintern einer dünnen Schicht Metallpulvers mit Hilfe eines Laserstrahls (Selective Laser Sintering). Mit additiver Fertigung können mittlerweile auch hochbelastete Bauteile wie etwa die Schaufelblätter von Gasturbinen produziert werden.

Bei dem 3D-Druck der Chipgehäuse kamen keramische und metallische Pasten zum Einsatz. „Diese werden nach dem Druckvorgang, zusammen – und das ist das Besondere daran - mit dem eingedruckten Chip gesintert“, sagt Prof. Dr. Ralf Werner, Inhaber der Professur Elektrische Energiewandlungssystem und Antriebe.

Keramik diene dabei als Isolationsmaterial und Kupfer werde zur Kontaktierung der Gate-, Drain- und Source-Flächen der Feldeffekttransistoren verwendet. „Besonders anspruchsvoll war die Kontaktierung der Gate-Fläche, die im Normalfall weniger als einen Millimeter Kantenlänge aufweist“, fügt Prof. Dr. Thomas Basler, Leiter der Professur Leistungselektronik, hinzu, dessen Team das Projekt mit ersten Funktionstests an Prototypen unterstützte.

Angepasste Kühlgeometrien durch 3D-Druck

Durch das Verfahren stehen nun auch additiv gefertigte Siliziumkarbid-Komponenten zur Verfügung, die Temperaturen über 300 Grad Celsius aushalten. „Der Wunsch nach einer temperaturbeständigeren Leistungselektronik war naheliegend, denn die Gehäuse für leistungselektronische Bauelemente werden traditionell möglichst nahe am Motor installiert und sollten daher über eine ebenso große Temperaturbeständigkeit verfügen“, so Prof. Werner.

„Neben der hervorragenden Temperaturbeständigkeit bietet diese Technologie noch weitere Vorteile“, so Rudolph. Zum einen versprechen sich die Forschenden durch die beidseitige, flächige und lotfreie Kontaktierung der Chips eine längere Lebensdauer hinsichtlich der Anzahl der Lastwechselzyklen sowie eine bessere Kühlung und damit Ausnutzbarkeit der Chips. „Aufgrund der im Vergleich zu Kunststoffen höheren thermischen Leitfähigkeit der Keramik und der für den 3D-Druck üblichen Designfreiheit lassen sich leicht speziell angepasste Kühlgeometrien im Gehäuse und an dessen Oberfläche realisieren“, versichert Rudolph. Zudem sei so zur Herstellung eines leistungselektronischen Bauelements nach der Produktion der Siliziumcarbid-Chips selbst nur ein einziger Arbeitsschritt notwendig.

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Gedruckter Motor als Meilenstein

Bereits 2018 war es den Forschenden an der TU Chemnitz mit einem selbstentwickelten 3D-Multimaterialdruckverfahren gelungen, alle wichtigen Komponenten einer elektrischen Maschine in einem Druckvorgang herzustellen. Dazu zählen die elektrischen Leiter aus Kupfer, die zusammen mit Eisen oder eisenhaltigen Legierungen die Bildung und Ausrichtung der magnetischen Felder bewirken und die elektrische Isolation aus Keramik, die die Leiter untereinander und gegen die als Magnetkreis bezeichneten Teile aus Eisen isoliert.

Grundlage des Verfahrens ist die schichtweise Extrusion hochviskoser Pasten. Diese enthalten Partikel der gewünschten Materialien wie Eisen, Kupfer oder Keramik und speziell zugeschnittene Bindemittel.

Statoren einer dreiphasigen wickelkopflosen Reluktanzmaschine aus dem 3D-Drucker
Diese Statoren einer dreiphasigen wickelkopflosen Reluktanzmaschine wurden mittels 3D-Multimaterialdruck hergestellt. (Bild: TU Chemnitz/Jacob Müller)

Einsatztemperatur elektrischer Maschinen nach oben verschieben

Ziel der Arbeit war es, die Grenze der Einsatztemperatur von elektrischen Maschinen deutlich nach oben auf mehr als 300 Grad Celsius zu verschieben. Dies erreichten die Chemnitzer Forscher, indem sie die konventionellen, polymerbasierten Isolationsmaterialien durch spezielle Keramiken ersetzten. „Die zulässige Wicklungstemperatur konventioneller Isolationssysteme von maximal 220 °C kann somit deutlich überschritten werden, wodurch die Einsatztemperatur elektrischer Maschinen lediglich durch die ferromagnetischen Eigenschaften des Eisens begrenzt wird, die bis circa 700 °C bestehen bleiben“, so Prof. Rudolph.

Meinung: In kleinen Schritten zur Revolution

Portraitbild Peter Koller
Peter Koller, Leitender Redakteur (Bild: Christine Gokus)

Wenn in einigen Jahren die ersten komplett integrierten 3D-gedruckten Antriebssystem Einzug halten werden in Industrierobotern oder Werkzeugmaschinen, dann wird - völlig zurecht - von einer Revolution die Rede sein. Was bei den künftigen Jubelreden aber nicht vergessen werden sollte, ist die Tatsache, dass diese Revolution in vielen kleinen Schritten gekommen ist und der Ausdauer von Forschenden wie jenen an der TU Chemnitz zu verdanken ist. 2017 haben sie die erste Spule gedruckt, ein Jahr später einen ganzen Motor, jetzt die Chipgehäuse für die Leistungselektronik. Revolutionen brauchen einen langen Atem - und Menschen, die an sie glauben!

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