Ausgangspunkt: Kundenspezifische Troubleshooter

Vom Komponentenhersteller zum Systemanbieter, das ist eine Maxime, die man sehr oft hört in der Industrie. Es gibt allerdings Bauteile, bei denen es sich einem nicht auf den ersten Blick erschließt, wie daraus ein System werden soll. Die Kupplung zum Beispiel, jenes zwar sehr wichtige, aber oft unscheinbare Bauteil, das Motoren mit Getrieben oder Wellen fest, aber doch flexibel verbindet. Wie soll man aus so etwas ein System formen?

Der Kupplungshersteller KTR aus Rheine hat es einfach gemacht: „Unsere Lösungen entstehen letztendlich aus Kundenanforderungen“, erklärt Michael Brüning, Produktmanager für elastische Klauenkupplungen bei KTR. „Immer wieder haben wir kundenspezifische Troubleshooter entwickelt, aus denen dann ein neuer Standard entstanden ist.“ Auf diese Weise, so Brüning, habe sich mit der Zeit sehr viel Anwendungswissen angesammelt. „Wenn man Maschinen mit einer Kupplung verbindet, muss man sich auch mit den Maschinen und Prozessen selber auskennen.“ Da kommen dann auch schon mal Ideen für eine Systemerweiterung.

Vom Produkt zum Subsystem

Ein gutes Beispiel sind die Kupplungen für Windenergieanlagen. Diese hat KTR lange Zeit mit einer integrierten Bremsscheibe ausgeliefert. „Irgendwann haben wir uns gesagt, wenn wir schon die Bremsscheiben bauen, warum machen wir nicht auch die Bremsen?“ führt Brüning aus. „Glücklicherweise hatten wir mit unseren Kupplungen über die Jahre einen großen Vertrauensvorschuss aufgebaut. Den konnten wir bei den Bremsen nutzen und so erfolgreich ganze Systeme im Markt etablieren.“ Allerdings sind es präzise genommen keine Systeme, die KTR da anbietet, sondern Subsysteme. Und das mit voller Absicht: „Wir wollen Synergien rund um die Kupplung bieten. Das heißt aber auch, wir produzieren niemals eine eigene Pumpe, niemals ein eigenes Getriebe und niemals einen Motor. Wir spezialisieren uns aber auf alles, was so drum herum ist in der Antriebstechnik“, präzisiert Michael Brüning. Und da ist ja auch einiges zu finden. Neben den bereits erwähnten Kupplungen und Bremsen gehören heute auch Welle-Nabe-Verbindungen, Spannsätze und Wellengelenke sowie Drehmomentbegrenzer und -messtechnik dazu. Für die Hydraulik finden sich Pumpenträger, Behälter und Zubehör sowie Temperaturregelung und -überwachung im Portfolio. „Wenn man sich im Bereich zwischen Motor und Getriebe und in der Temperaturüberwachung auskennt“, ergänzt der Produktmanager, „dann kennt man natürlich auch das Kühlmanagement und kann Kühler anbieten.“

Mit Branchenwissen zum System

Nun ist es aber so, dass je nach Branche Kupplung nicht gleich Kupplung ist, und eine Produktkombination, die in der einen Branche passt, kann in einer anderen bereits nachteilig sein. „Wir haben festgestellt, dass wir, wenn wir gute Systeme zusammenstellen wollen, weniger mit einer Produktsicht an die Sache herangehen müssen als mit einer Branchensicht“, schildert Micheal Brüning die Entwicklung im Hause KTR. Um das zu forcieren, wurde in Rheine ein Branchenmanagement eingerichtet. Natürlich bleiben die Produktmanager, die für ihr Portfolio bezüglich Beschaffung, Fertigungsplanung und Pricing verantwortlich sind. Zusätzlich wurden aber Branchenmanager ernannt, die für gewisse Schlüsselbranchen wie Werkzeugmaschinen, Land- und Baumaschinen, Windenergie, Pumpen und Kompressoren oder Marine das spezifische Wissen bündeln.

Know-how für die Marine

Wie weit diese Anforderungen an eine Branche den gesamten Fertigungsprozess beeinflussen, weiß ebenfalls Michael Brüning. Denn er ist neben seiner Funktion als Produktmanager auch der Branchenmanager Marine. „Die Marine ist sehr, sehr speziell. Schiffe werden ja nach den Regeln verschiedener Abnahmegesellschaften gebaut. ABS, DNV, GL oder Lloyd‘s Register zum Beispiel. Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Rules, und in den Rules steht dann zu der entsprechenden Anwendung die jeweilige Anforderung. Je nachdem, ob es sich um ein Bugstrahlruder, eine Winde oder eine Feuerlöschpumpe handelt, gelten eigene Regeln.“

Insbesondere, wenn es sich um sicherheitsrelevante Systeme handelt, sind spezielle Materialzertifikate vorgeschrieben, die dann natürlich auch für die eingesetzten Kupplungen oder Bremsen gelten müssen. Diese Materialeigenschaften muss der jeweilige Hersteller nachweisen.

Für KTR bedeutet das wiederum, dass bezüglich des Materials ein besonderer Aufwand getrieben werden muss. „Die Produkte, die in die Marine gehen, sind generell marinespezifisch“, betont Brüning. „Das heißt, wir müssen von der Schmelze bis zum fertigen Produkt belegen können, um was für ein Material es sich handelt. Wir haben eine eindeutige Chargen-Kennzeichnung eingeführt, haben Materialzertifikate ausgewiesen, sodass wir den Prüfern ganz klar zeigen können, dass die Eigenschaften, die in den jeweiligen Rules stehen, erfüllt werden.“

Kühlsystem von KTR,
Die Kühlsysteme von KTR (hier der OAC Öl/Luftkühler) wurden für Stationärhydraulik und mobile Maschinen entwickelt. Das Einsatzgebiet umfasst in erster Linie die Kühlung von Hydraulik- und Schmierölen, aber auch die Kühlung von Kühlwasser, Ladeluft oder Kraftstoff. (Bild: KTR)

Zu Beginn wurde der Zertifizierungs-Aufwand bei KTR für die Rotex-Klauenkupplung durchgeführt, die in der Marine- und Offshore-Industrie vielfältig Einsatz findet. Aber natürlich lassen sich die aus einem zertifizierten Material bestehenden Vorkomponenten wie Stangen oder Schmiede-Rohlinge auch zu anderen Produkten weiterverarbeiten, sodass aus der anfänglichen Rotex-Kupplung schnell ein Systembaukasten für die Marine wurde. Heute bietet der Hersteller aus Rheine Kupplungen für Bugstrahlruder ebenso wie Lösungen für Pumpen, Kompressoren, Winden, Ruderanlagen oder Hauptantriebe. Dabei transferiert KTR auch Wissen aus anderen Branchen: Speziell für Wasserjet-Antriebe kombiniert der Hersteller die Kupplung mit Achsen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Auf diese Weise lassen sich die im Schiffbau oft sehr langen Achsen mit deutlich weniger Lagerstellen realisieren. Diese Technik hatte KTR zuvor in der Windenergie entwickelt, um den Generator vom Rotor zu isolieren.

Da Halbzeug aus normiertem Material vorliegt, kann KTR selbst kundenspezifische Kupplungen nach allen Marineregeln innerhalb weniger Tage zur Verfügung stellen. Zu guter Letzt: Die Marine arbeitet heute global. Oft werden Schiffe noch in Deutschland entworfen, aber am Ende in Asien oder Amerika fertig gestellt. Da trifft es sich gut, dass KTR Fertigungsstätten auch in USA und China betreibt, sodass die weltweite Versorgung mit den zertifizierten Komponenten und Subsystemen gewährleistet ist.

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