Neue Kegelradgetriebe von SEW-Eurodrive 1

Die Diskussion um effiziente Antriebe fokussiert meist auf Umrichter und Energiespar-Motoren. Die Rolle der Getriebe wird dabei oft unterschätzt. ke NEXT hat bei einem Antriebstechnikhersteller nachgehakt, der nicht nur die Elektrik, sondern auch die Mechanik beherrscht.

Eigentlich ist es ja ganz logisch und mit dem gesunden Menschenverstand leicht nachvollziehbar: Wenn man hinter einem elektrischen Antrieb ein einstufiges Schneckengetriebe mit 45 Prozent Wirkungsgrad montiert, dann kann man sich den Austausch des Motors für fünf Prozent mehr Wirkungsgrad an der Stelle auch gleich sparen. Auf der anderen Seite gilt: Wenn das Getriebe einen sehr guten Wirkungsgrad hat, kann unter Umständen der Motor um eine oder zwei Baugrößen kleiner gewählt werden – bei gleichem Abtriebsmoment. Kommt dann noch ein moderner, geregelter Energiesparmotor zum Einsatz, spart man doppelt.

Das dachten sich auch die Entwickler beim Antriebstechnikspezialisten SEW-Eurodrive. Schon seit 2007 bietet der Hersteller einen so genannten Energiesparbaukasten an – einzelne Antriebskomponenten, die jede für sich eine hohe Energieeffizienz aufweisen und aus denen, sinnvoll miteinander kombiniert, passend auf die Applikation abgestimmte Antriebslösungen mit der bestmöglich erzielbaren Energieeinsparung entstehen.

Energieeffizient, preiswert und kompakt

SEW-Kegelradgetriebereihe

Die SEW-Kegelradgetriebereihe wird um die neuen Baugrößen K19 und K29 erweitert. Die zweistufigen Getriebe mit Hypoidverzahnung in der Abtriebsstufe bieten Übersetzungen von 3,19 bis 71,93 bei Drehmomenten bis 80 Nm (K19) und 130 Nm (K29).

Nun müssen Antriebslösungen aber nicht nur effizient sein, sondern in der Regel auch kompakt und preiswert. Denn bei aller Begeisterung für Energieeinsparungen wollen viele Kunden nur begrenzt mehr bezahlen und – wichtiger – die Geometrie ihrer Maschinen beim Wechsel der Antriebe nicht verändern müssen. Besonders im Einsatzbereich der kleineren Motoren ist die Einbausituation oft beengt.

Das Problem: Ein Motor wird nicht einfach durch Umlabeln effizienter, mit der Energieeinsparung steigt meist auch die Baugröße. Erst die Gesamtbetrachtung von Motor mit Getriebe schafft hier die notwendigen Freiräume. Deshalb hat SEW zwei neue Kegelradgetriebe entwickelt, die dank sehr hohen Wirkungsgrads den Einsatz kleinerer Motoren ermöglichen und die zudem durch ihre Form sehr kompakt bauen.

Ein typischer Einsatzbereich für derartige Motor-Getriebe-Kombinationen sind Anwendungen in der Fördertechnik, auch Rührer oder Hubwerke. Hier findet man heute zumeist Schneckengetriebe. Kegelradgetriebe bieten im Vergleich dazu einen sehr hohen Wirkungsgrad, sie ermöglichen zudem eine kompakte Bauweise. Diese Eigenschaften machten sich die Ingenieure von SEW zu Nutze. Für den unteren Leistungsbereich bis 130 Nm bietet SEW-Eurodrive ab der Hannover Messe im April 2013 die beiden neuen Baureihen K19 und K29 an. Mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent können deutliche Einsparungen im Energieverbrauch erzielt werden.

In den neuen zweistufigen Getrieben wird in der zweiten Stufe (der Abtriebsstufe) ein Kegelrad mit leichtem Achsversatz und Hypoidverzahnung eingesetzt. Durch die grundsätzlich effiziente Bauart und in Verbindung mit optimierten Schmierstoffen und Bearbeitungsverfahren erreichen die Getriebe einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent. Zwar haben die bisher bei SEW verfügbaren Kegelradgetriebe ebenfalls einen derart hohen Wirkungsgrad. Aufgrund der dreistufigen Bauart sind sie aber erkennbar größer und beinhalten infolge der höheren Komplexität auch mehr Bauteile.

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Der preiswertere zweistufige Aufbau der neuen Baureihen hat zudem den Vorteil, dass das Getriebe weniger Platz benötigt. Das hilft dem Anwender, es in seiner Maschine zu integrieren. Um es dem Konstrukteur noch ein wenig leichter zu machen, haben die Entwickler von SEW dem Getriebe erstmalig drei Fußleisten spendiert. Somit kann er jede Anschlagfläche benutzen um es in seine Maschine zu integrieren. Das ist vor allem für den Serien-Maschinenbauer interessant, der ja bestrebt ist, seine Lagerhaltungskosten gering zu halten.

Globale Präsenz für globale Maschinen

Serie DRC in IE4

Besonders effizient wirken die neuen Getriebe mit den Elektronikmotoren der Serie DRC in IE4.

So, wie es bei Menschen neben den harten Ausbildungsfakten auch noch die Soft-Skills gibt, so gibt es auch bei Komponenten Aspekte jenseits der technischen Daten. Auch hier hat SEW-Eurodrive einiges zu bieten: Als einer der großen Antriebstechnik-Hersteller können die Bruchsaler globale Lieferfähigkeit, kurze Lieferzeiten und Kontinuität garantieren. Die Produkte sind weltweit verfügbar. Neben der globalen Logistik wurde auch ein weltweites Servicenetz aufgebaut. Denn die wenigsten der von SEW hergestellten Antriebseinheiten tun ihren Dienst in Deutschland, selbst wenn sie dort in eine Maschine eingebaut wurden. Eine globale Logistik mit Service vor Ort ist heute in vielen Branchen unverzichtbar. Kaum ein Anlagenbetreiber in Brasilien, Russland, China oder sonstwo will im Falle eines Anlagenstillstands darauf warten, bis ein Ersatzteil aus Deutschland über alle Zollschranken hinweg zu ihm kommt.

Der Gedanke des einfachen, in allen Teilen der Welt leistbaren Service findet sich auf der anderen Seite auch wieder im Produktdesign: Wenn man sich die Gestaltung der Getriebe anschaut, wird man ein paar Aspekte finden, die man durchaus kostenoptimierter hätte konstruieren können, etwa an der Verbindung zwischen Getriebe und Motor. Doch an diesen Stellen, an denen Monteure und Servicetechniker arbeiten müssen, wurde auf eine weltweit und produktreihenübergreifend einheitliche Bauweise Wert gelegt. Die Antriebe von SEW-Eurodrive werden nicht nur in Deutschland montiert, sondern weltweit in den SEW-Servicecentern, den Eurodrives.

Zu guter Letzt stellt SEW auch eine jahrzehntelange Verfügbarkeit von Ersatzteilen sicher. All das sind Faktoren, die neben Drehmoment- und Übersetzungs- und Wirkungsgradwerten bei Kunden eine relevante Größe darstellen. Hinzu kommt die Beratungskompetenz. Der SEW-Vertrieb ist weltweit sehr technisch orientiert und tritt bei Bedarf auch als Entwicklungspartner auf. Ausführliche Dokumentationen und Software-Tools runden das Paket ab.

Fazit

Standardmotoren

Doch natürlich lassen sich auch alle Arten von Standardmotoren mit dem neuen effizienten Getriebe verbinden.

Manchmal scheint es fast, als wäre es noch nicht in allen Köpfen verankert, dass ein Getriebe einen Wirkungsgrad hat. Ja, dass es sogar eine wesentliche Komponente im Antriebsstrang ist. Die Zielsetzung muss es aber sein, in jeder Applikation den Gesamtantriebsstrang zu betrachten – von der Getriebewelle über Motor, Elektronik und Feldbussystem bis zur Steuerung. Die neuen Kegelradgetriebe von SEW-Eurodrive sind gekennzeichnet durch eine verlustarme zweistufige Ausführung, eine dauerfeste Verzahnung für nahezu verschleißfreien Antrieb, leichte und kompakte Bauweise sowie Hypoidverzahnung an der Abtriebsstufe. Durch die Auslegung und Flanschmaße sind sie kombinierbar mit dem kompletten SEW-Motorenspektrum wie DR-Motoren, DRC-Motoren, DRU-Motoren und synchronen CMP-Servomotoren. Drei serienmäßige Fußleisten ermöglichen eine flexible Anbindung an die Maschine auch bei kritischen Einbausituationen.

Verkaufsfreigabe der neuen Getriebe ist zur Hannover-Messe 2013, die ersten Kunden sollen auch direkt im Anschluss beliefert werden. Der große Serienanlauf ist ab dem 1. Juli geplant. Interessenten sollten also auf der Messe bei SEW (Halle 15, Stand F10) vorbeischauen – die neuen Getriebe werden dort im Einsatz gezeigt.

Autor: Wolfgang Kräußlich, Leitender Chefredakteur

Im Gespräch mit Claus Wieder und Dr. Meinhard Schumacher, SEW-Eurodrive

„Energieeffizienz wird ein Thema bleiben“

Energiesparen, das zählt im Grunde schon seit Jahren zu den beliebtesten Buzzwords der Marketing-Strategen. ke NEXT klärt, warum es jetzt erst richtig los geht mit der Energieeffizienz und welche weiteren Trends für die Zukunft zu erwarten sind.

Dr. Meinhard Schumacher (Mitte) und Claus Wieder (rechts) im Gespräch mit ke-NEXT-Chefredakteur Wolfgang Kräußlich.

Dr. Meinhard Schumacher (Mitte) und Claus Wieder (rechts) im Gespräch mit ke-NEXT-Chefredakteur Wolfgang Kräußlich. Dr. Schumacher leitet die Abteilung Business Development in der Business Unit Classic, Claus Wieder ist Leiter Marktmanagement für Deutschland.

Sagen Sie, ist Energieeffizienz nicht ein alter Hut? Das Thema wird doch schon seit Jahren getrieben.
Claus Wieder: Sicher, das Thema gibt es schon länger. SEW liefert schon seit 20 Jahren Energiesparmotoren. Allerdings hat sich gezeigt, dass über freiwillige Maßnahmen wenig am Markt zu bewegen ist. Der höhere Preis ist einfach ein Hinderungsgrund. Vor zehn Jahren lag der Verkaufsanteil unserer hocheffizienten Motoren im einstelligen Prozentbereich. Erst seit 2011 die Verordnung in Kraft trat, nach der nur noch IE2-Motoren in neue Projekte verbaut werden dürfen, haben diese Motoren eine Marktrelevanz. Trotzdem gibt es immer noch einen nicht niedrigen Prozentsatz alter IE1-Motoren, die im Markt platziert werden können. Weil die Liste der Ausnahmen ist ja recht groß.

 

Es gibt keine Gründe außer Vorschriften, die zum Kauf eines Energiesparmotors bewegen?
Dr. Meinhard Schumacher: Doch, es gibt schon einige Kunden, die dahingehend sensibilisiert sind. Die zum Teil heute schon Probleme haben, ihre Anlagen noch betreiben zu können. Wir sind ja nicht nur in Deutschland unterwegs, denken Sie zum Beispiel mal an China. Da gibt es größere Fabriken, die im Prinzip gar keine genügend große und starke Energieversorgung haben und den Strom kontingentweise zugewiesen bekommen. Für die ist Energieeffizienz ein großes Thema. Und hier bei uns ist die EU-Energiesparverordnung ein großer Schub in die richtige Richtung. In Deutschland gibt es zum Teil auch Fördermaßnahmen für Mittelständler, um finanzielle Anreize zu setzen, auf energieeffiziente Motoren umzusteigen.

Was ist für Sie der Anstoß, das Thema Energieeffizienz jetzt noch weiter voran zu treiben?
Dr. Meinhard Schumacher: Die aktuellen rechtlichen Entwicklungen sind ja nur ein erster Schritt. Es ist davon auszugehen, dass die von Herrn Wieder genannten Ausnahmen für IE1-Motoren nach und nach weggenommen werden. Die Verordnung gilt bislang nur für Motoren über 0,75 kW, darunter gab es gar keine IE-Klassen. Doch die sind nun definiert und ich gehe davon aus, dass es bald auch IE2-, IE3- und IE4-Motoren unter 750 Watt geben wird. Wenn Sie diesen Gedanken konsequent weiterdenken, wird es dann natürlich auch irgendwann entsprechende Vorschriften für Getriebe geben. In dem Wissen, dass all das kommt, müssen wir als Hersteller natürlich auch Produkte entwickeln, die diesen Anforderungen entsprechen. Wir müssen unser Portfolio dahingehend ausrichten.

„Energieeffizienz wird für SEW-Eurodrive auch für die Zukunft eine Leitlinie sein. Wir erwarten verstärkt optimierte mechatronische Systeme.“
Claus Wieder, SEW-Eurodrive

Wenn Sie ein wenig in die Zukunft blicken: Welche Themen werden uns neben der Energieeffizienz noch begleiten?
Claus Wieder: Ich denke, ein Aspekt, den wir im Auge behalten sollten, ist das Thema Nachhaltigkeit. Das ist ein Begriff, der schon heute sehr häufig verwendet wird. Aber was wirklich dahinter steckt, kann keiner so recht greifen. Für uns ist Nachhaltigkeit, dass unser Kunde mit unserem Produkt auch in zehn Jahren noch zufrieden ist. Es ist kein „Wegwerf-Produkt“. Und hier kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel: Wir bauen Produkte, die repariert werden können – auch unter wirtschaftlichen Aspekten. Und wenn unser Produkt dann am Ende seiner Lebensdauer angekommen ist und es sich wirtschaftlich nicht darstellt, es zu reparieren, dann kann es recycelt werden. Unser Ziel ist, nur Rohstoffe zu verwenden, die wir auch problemlos recyceln können.
Dr. Meinhard Schumacher: Da hat man es mit Motoren und Getrieben im Vergleich zu Elektronik natürlich leichter. Wir haben eine begrenzte Zahl an Materialien, die sich zudem relativ leicht trennen lassen. Ein Zukunftsthema wird sicher sein, das noch zu optimieren. Oder vielleicht sogar ein Gehäuse komplett wiederzuverwenden. Im Automobilbau gibt es ja auch Austausch-Anlasser, Austausch-Lichtmaschinen und so. Da werden auch die Gehäuse wiederverwendet, weil die relativ aufwendig in der Herstellung sind. Bei den großen Motoren wird es ja ohnehin gemacht. Das könnte man in der Zukunft auch bei kleinen Motoren tun. wk

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