Das Thema Gleichstrom für Niederspannung hat inzwischen auch die Normungsgremien auf den Plan gerufen. So hat der Verband der Elektrotechnik eine Normungs-Roadmap erarbeitet, die zahlreiche Handlungsempfehlungen enthält: 

  • Produktstandards mit Schutzeinrichtung für Fehlerstrom und Fehlerlichtbogen
  • Anwendung von harmonisierten EMV-Normen auf Gleichspannungs-Betriebsmittel
  • Getrennte Verlegung von AC- und DC-Stromkreisen
  • Farbcode für Gleichstromkabel
  • Festlegung von Spannungsebenen
  • Installationsrichtlinien

Bisher gibt es zum Beispiel keine Normen für Steckverbinder. Die Normungsexperten müssen sich hier mit ganz praktischen Anforderungen auseinandersetzen. Der Anwender sollte den Stecker auch unter Last aus der Steckdose ziehen können, also wenn gerade ein Gerät daran betrieben wird. Bei herkömmlichen Wechselspannungssteckern ist das selbstverständlich, doch bei Gleichspannung muss sichergestellt werden, dass die Steckdose dabei spannungsfrei ist und dass der Lichtbogen verlöscht. Bei Wechselspannung sorgt dafür die Physik, bei Gleichspannung bedarf es einer technischen Vorrichtung.

Kabel auch für Gleichspannung

Frank Berger, Leiter des Fachgebiets Elektrische Geräte und Anlagen an der Technischen Universität Ilmenau.
Frank Berger, Leiter des Fachgebiets Elektrische Geräte und Anlagen an der Technischen Universität Ilmenau. (Bild: A. Kradisch)

Bei Lapp machen sich die Entwickler bereits Gedanken, wie die Anforderungen bezüglich der Verbindungssysteme aussehen und wie dies in Normen überführt werden kann. Prinzipiell eignen sich Kabel für Wechselspannung auch für Gleichspannung. Bekanntes Wissen und Modelle zur Alterung von Kabeln, insbesondere von Isolationsmaterialien, lassen sich aber vermutlich nicht vollständig auf Gleichspannung übertragen. Laborversuche von Prof. Frank Berger an der TU Ilmenau in Zusammenarbeit mit der Lapp Gruppe deuten darauf hin, dass die elektrischen Felder durch Gleichstrom ganz andere physikalisch-chemische Wirkungen auf den Kunststoff des Kabelmantels haben als bei Wechselstrom. Der Kabelmantel altert dadurch möglicherweise schneller, worauf die Kabelkonstrukteure neue Antworten finden müssen. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich auch die Wirksamkeit der Isolationsmaterialien bei verschiedenen Temperaturen unter Gleichstrom anders verhält. Aber auch die Normungsgremien sind gefordert, denn bisher erfolgen Langzeittests von Kabeln ohne dass Spannung angelegt wird. Bei Gleichstrom würde dieses Vorgehen möglicherweise den wahren Alterungsprozess unterschätzen. Weitere Versuche sollen nun Auskunft geben, ob außer der Temperatur bei Gleichspannung noch weitere Faktoren wie umgebende Medien oder mechanische Einflüsse wie Biegeradien eine Rolle spielen. Und wie ein Versuchsaufbau aussehen könnte, der diese Faktoren möglichst realistisch wiedergibt.

Ganz neu ist das Thema Leitungen für Gleichspannungsanwendungen für Lapp nicht. Das Unternehmen realisiert für Kunden immer wieder anspruchsvolle Lösungen in diesem Bereich. Ein Beispiel ist die Produktreihe Ölflex Solar, Kabel zur Energieverteilung in Photovoltaikanlagen. Lapp Systems hat Ladesysteme für Elektro- und Hybridfahrzeuge entwickelt, etwa Lapp Helix, ein Ladekabel in Schneckenform, das sich selbst aufräumt und 40 Prozent Gewicht spart. Diese Lösungen für die Elektromobilität sind innerhalb der Lapp Gruppe einer der am schnellsten wachsenden Bereiche. Neuland hat Lapp mit einem Produktionsverfahren betreten, das organische Photovoltaikmodule mit dünnen Kabeln feuchtigkeitsdicht verbindet. Das Ergebnis war im deutschen Pavillon der Expo 2015 in Mailand zu bestaunen. Und mit der Ölflex DC 130H hat Lapp ein neues Kabel im Programm, das eigens für Gleichspannungen bis 600 Volt ausgelegt ist. Die Farben der Aderisolationen und der gelbe Mantel entsprechen dem ersten Normenentwurf des VDE. (Quelle: Presse-Unterlagen Lapp, Guido Ege und Georg Stawowy)

Revival einer alten Technik

Er gilt als einer der größten Erfinder aller Zeiten: Thomas Edison, Erfinder des Phonographen und natürlich der elektrischen Glühbirne – 1093 Patente gehen auf sein Konto. 1882 nahm Edison sein erstes Kraftwerk in Betrieb, das unter anderem die New Yorker Wall Street elektrifizierte. Das Kraftwerk arbeitete mit Gleichstrom und Edisons Mitarbeiter Nikola Tesla sollte dafür einen Dynamo entwickeln – was er auch erfolgreich tat. Doch der gebürtige Kroate hatte noch eine andere Idee: Statt mit Gleichstrom beschäftigte sich Tesla mit Wechselstrom-Technik, die er nach einem Streit mit Edison fortan mit dessen Konkurrenten George Westinghouse weiterverfolgte.

Edison blieb stur: Statt ebenfalls auf die offensichtlichen Vorteile des Wechselstroms zu setzen – einfaches Anpassen der Spannung mit Transformatoren zur Übertragung über größere Distanzen, dünnere und damit günstigere Kabel – versuchte der renommierte Erfinder seine beiden Konkurrenten zu diskreditieren. Edison setzte durch, dass der gerade erst erfundene elektrische Stuhl mit der Technik der Konkurrenz betrieben wird. Wechselspannung gleich Tod, sollte die Botschaft sein. Der Coup gelang, doch Edison konnte sich nur kurz freuen. Die Weltausstellung in Chicago 1893 wurde mit Wechselstrom erleuchtet und läutete ihren Siegeszug im 20. Jahrhundert ein. Thomas Edison gestand später seinem Sohn: „Ich glaube der größte Fehler meines Lebens war, dass ich nicht auf Wechselstrom umgestellt habe.“ Heute, 86 Jahre nach Edisons Tod, deutet sich an, dass der große Erfinder mit seiner Unterstützung der Gleichstrom-Technik vielleicht doch nicht so falsch lag, wie man lange dachte.

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