Ein teil der schwarzen Ummantelung des Kabels ist entfernt, sichtbar sind drei Phasen-Leiter und Schutzleiter.

Abgemantelte Ölflex Servo FD ZeroCM: Die Leitung zeichnet sich durch elektromagnetische Symmetrie aus. (Bild: Lapp)

Heute werden in der Prozessautomatisierung Elektromotoren ausschließlich mittels Frequenzumrichter betrieben. Neben dem Vorteil der variablen Drehzahl bietet diese Art der Ansteuerung beachtliche Vorteile im Hinblick auf Energie- und Prozesseffizienz. Prinzipbedingt gibt es aufgrund der Ansteuerung allerdings unterwünschte Nebeneffekte und es entstehen Ableitströme. Je mehr Komponenten beteiligt sind, desto größer ist das Risiko solcher Störungen. Gleichzeitig werden die Bauräume in Maschinen und Anlagen immer kleiner. Um Produktionsausfälle in der Smart Factory zu vermeiden, sollten Entwicklerinnen und Entwickler das Thema EMV am besten schon in der Planungsphase berücksichtigen.

Wie Störungen innerhalb von Verbindungslösungen nahezu eliminiert werden können, hat Lapp gerade im Rahmen des „PEPA“-Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz festgestellt. Neben Lapp sind an dem Projekt die Firmen SEW-Eurodrive, Bock, Danfoss, Magnetec und die Technische Universität Darmstadt beteiligt. Hier führt Lapp das Arbeitspaket 4 „Kopplungen zwischen benachbarten Leitungen sowie mit Anlagenteilen. Messungen und Optimierungen der Kabelkonstruktion“. Bei diesem Thema kommt es insbesondere auf die korrekte Auswahl der Verbindungskomponenten sowie auf die fachgerechte Installation an.

Peaks u. a. bei 50 Hz, 8 kHz und bei Frequenzen über 20 kHz.
So sieht ein typisches Spektrum von Ableitströmen aus, gemessen auf Schutzerd- und Potentialausgleichsleitungen. (Bild: Lapp)

Gegenstand der Untersuchung war die Frage, warum es in Industrieanlagen, in denen Frequenzumrichter-gesteuerte Motoren eingesetzt werden, so oft zu unerwünschten Strömen auf den Potentialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE) kommt. Durch die getaktete Ansteuerung (Pulsweiten-Modulation) werden Störströme im Bereich von rund 3 kHz bis 1 MHz angeregt, welche über Gehäuseteile, PA-/PE-Leiter/-Netze und im schlimmsten Fall über die Schirmung von Datenleitungen in Richtung Erdpotential beziehungsweise zur Quelle abfließen. Hochfrequente Ausgleichströme mit einer Amplitude von 10 A oder mehr sind hierbei keine Seltenheit.

Die Folgen sind unzulässig hohe Ströme auf der Schutzerde und dadurch vermeintlich fehlerhaft auslösende FI-Schutzschalter (RCD) oder Beeinträchtigung der Datenkommunikation, wenn beispielsweise die Ausgleichsströme über den Kupferschirm einer Datenleitung fließen.

Diese Fehler sind schwer zu finden, da sie keiner Systematik folgen. Lapp hat sich daher zum Ziel gesetzt, die physikalischen Kopplungsmechanismen innerhalb von Motor-Anschlussleitungen zu untersuchen und daraus eine neuartige Kabelkonstruktion abzuleiten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die ZeroCM-Technologie.

Was ist der Unterschied zu bisherigen Leitungen?

Querschnitt durch die Leitung
Die erste Leitung mit der neuen Kabeltechnmologie ist das Modell Ölflex Servo FD ZeroCM. (Bild: Lapp)

Bisherige Konstruktionen in der Kabeltechnik waren eher auf geringe Außendurchmesser und eine optische Symmetrie getrimmt. Das Problem EMV wurde bis dato immer durch Schirmung gelöst. Der Hersteller ging mit der ZeroCM-Technologie einen anderen Weg: Die Leitung ist vom visuellen Erscheinungsbild unsymmetrisch, jedoch wird 100-prozentige elektromagnetische Symmetrie erzielt. Letztlich wird dadurch sogar weniger Schirmung benötigt.

Das Geheimnis der neuen Kabeltechnologie ist eine spezielle Verseiltechnik: Drei Phasenleiter sind symmetrisch angeordnet und in einer Innenlage verseilt. Ergänzend wird mindestens ein Schutzleiter in einer Außenlage mit entgegengesetzter Verseilschlagrichtung um die drei Phasenleiter in einem bestimmten Schlaglängenverhältnis verseilt. Die Isolation der Leiter ist kapazitätsoptimiert und besteht aus Polyethylen, Polypropylen oder aus einer geschäumten Variante. Zwischen der Innenlage und der Außenlage befindet sich ein trennendes Fleece.

Durch diese Konstruktion erreicht man perfekte elektrische Symmetrie, welche die magnetische Abstrahlung reduziert und die internen Kopplungen stark verringert. Der erste Prototyp-Leitung mit neuem Kabeldesign ist die Ölflex Servo FD ZeroCM. Sie ist speziell für den Einsatz in Verbindung mit Frequenzumrichtern geeignet.

PEPA-Forschungsprojekt bestätigt: Es funktioniert

Dass das neue Konzept funktioniert, bestätigte sich im PEPA-Forschungsprojekt bei Versuchsaufbauten der Projektpartner. Sie untersuchten eine EMV-optimierte Installation von Komponenten und die Rolle der Ausgangleitung. Zum Vergleich diente ein identischer Versuchsaufbau mit einem Antriebssystem mit Potentialausgleich sowie paralleler Signalleitung (ProfiNet).

Die Projektpartner verglichen eine geschirmte PVC-isolierte Standardleitung, eine niederkapazitive Servoleitung, eine symmetrische Motorleitung mit drei Schutzleitern sowie die neuartige ZeroCM-Leitung. Dabei ergaben sich eindeutige Ergebnisse. Die besten Werte hinsichtlich Ableitstrom am Umrichter-Ausgang erreichte der kapazitätsarme Aufbau der zeroCM-Leitung. Die generierten Ableitströme belasten den Frequenzumrichter und alle beteiligten Komponenten und sollten daher so gering wie möglich gehalten werden.

ZeroCM-Leitung: RMS von etwas über 0,2 A und Mean Peak von etwas über 2 A. Alle anderen Leitungen deutlich darüber: geschirmte Standard-Leitung fast 1 bzw. 10 A, Kapazitätsoptimierte Motorleitung etwas über 0,6/7 A, geometrisch symmetrische Motorleitung ca. 0,7/8 A.
Ableitstrom (Effektivwert und Maximalpegel) gemessen am Frequenzumrichter-Ausgang bei einem vier-Kilowatt-Antrieb und 50 m Leitungslänge. (Bild: Lapp)

Weiterhin untersuchte die Forschungsgruppe den Störstrom, der über eine parallel liegende Signalleitung fließt: Auch hier begünstigt der Einsatz der neuen Leitung die Ausprägung von möglichst geringen Störströmen.

Aus den Untersuchungen bei den Projektpartneren ergaben sich darüber hinaus klare Empfehlungen für die EMV-optimale Installation von Frequenzumrichtern, wie beispielsweise ein niederimpedanter, HF-tauglicher und ein durchgängiger Potentialausgleich zwischen Frequenzumrichter und Antrieb. Bedeutsam ist dabei der Schirmanschluss mit EMV-gerechten Steckern oder flächiger Schirmauflage, wie beispielsweise bei den eingesetzten EMV-Verschraubungen Skintop Brush zu.

Längere Kabel möglich

Zusammenfassend gesagt, beseitigt die neue Kabel-Technologie zwar nicht die Ursache der EMV-Störungen, adressiert jedoch genau eine der signifikanten Stellen, an der Störungen in das Systemumfeld eingebracht werden. Einerseits ermöglicht der neuartige Kabelaufbau um bis zu 80 Prozent verringerte Ausgleichsströme am Frequenzumrichter-Ausgang und auf parallelen Pfaden wie beispielsweise Datenleitungen. Andererseits sorgen reduzierte Kabel-Umladeströme (cable-charging current) für weniger Last am und im Umrichter selbst. Das erlaubt es beispielsweise, längere Kabel zu verlegen, ohne dass der Frequenzumrichter außerhalb seiner (EMV-)Spezifikation betrieben wird. Zudem unterbindet die Kabel-Technologie das Entstehen von Spannungspegeln auf dem Masse-/Erdpotential (Ground-Voltage) auf der Verbraucherseite. Dies ist entscheidend, wenn beispielsweise empfindliche Sensorik wie Analoggeber verwendet werden.

Obwohl die neue Leitung beim ersten Konfektionieren vielleicht ungewohnt erscheinen mag, bleibt die Verkabelung gewohnt einfach, beziehungsweise verringert sich der Aufwand sogar im Vergleich zu den Erd-symmetrischen Leitungen mit gedritteltem Schutzleiter. Die Firma Lapp will nun ein Portfolio mit der ZeroCM-Technologie ausstatten; als nächstes sind Hybridleitungen dran. do

Vergleich mit geschirmter Standard-Leitung: Die Standard-Leitung touchiert den Grenzwert C1 (Wohngebiet) bei 0,8 MHz, die neue Leitung nicht. Leitungslänge 50 m.
Die Messkurve zeigt die leitungsgeführte Störaussendung eines Frequenzumrichters gemäß DIN EN IEC 61800-3 und die Verbesserung beim Einsatz einer ZeroCM-Servoleitung statt einer geschirmten Standard-Leitung. (Bild: Lapp)

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