Ein weiterer Forschungsgegenstand am Lehrstuhl sind Kabel und hier insbesondere die elektrischen Felder, die sich zwangsläufig über dem Isolierstoff aufbauen. Bei Hochspannungskabeln ist die elektrische Feldverteilung bei Gleichspannung eine völlig andere als bei Wechselspannung. Deshalb sind die Isolierstoffe für Kabel der Hochspannungs-Gleichstromübertragung deutlich teurere Spezialanfertigungen, was sich aber durch die geringen Energieverluste über große Distanzen dennoch rechnet.

Und wie sieht es bei niedrigen Spannungen aus? Hier gibt es bisher keinerlei wissenschaftlich belastbare Aussagen und wenige praktischen Erfahrungen. Die Kabelhersteller interessiert natürlich zuallererst, ob sie ihre Wechselspannungs-Kabel auch in Gleichspannungsnetzen einsetzen können. Bergers Antwort klingt ein wenig nach Radio Eriwan: „Im Prinzp ja.“ So sind Kabel zum Beispiel der Marke Ölflex Classic 110 nach VDE 0298-3 prinzipiell für Gleichspannungen bis 412,5/825 Volt geeignet. Bergers Team hat begonnen, diese Kabel von Lapp in einem speziellen Versuchstand experimentell zu untersuchen.

Dennoch gibt es ein dickes Aber: Erste Laborversuche deuten darauf hin, dass ein und dasselbe Kabel bei Gleichspannung anders beansprucht wird als bei Wechselspannung. Die Ursache liegt in der Abhängigkeit der Spannungsfestigkeit von der Temperatur – diese Festigkeit nimmt bei hohen Temperaturen bei Gleichspannungsbeanspruchung merklich ab. Weitere Tests sollen nun untersuchen, wie sich dies insbesondere auf die Alterung des Materials bei gleichzeitiger mechanischer Belastung auswirkt. „Die Kabelhersteller müssen sich mit diesem Thema beschäftigen“, sagt Berger. Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei Lapp, stimmt zu: „Es ist sehr wichtig, diesen Zusammenhang zu kennen, und uns bei Lapp ist es wichtig, uns heute schon mit diesem Zukunftsthema auseinander zu setzen.“ Ob es einmal ein eigenes Lapp-Portfolio für Gleichstrom geben muss, sollen die weiteren Versuche in Ilmenau klären. Immerhin gibt es schon ein erstes Produkt: Ölflex DC 130H.

Zweites Netz im Haushalt

Die Ergebnisse von Bergers Team könnten zur Folge haben, dass man herkömmliche Elektroinstallationen im Haushalt oder in Fabriken nicht einfach für Gleichstrom umwidmen kann – was aber ohnehin niemand vorhat. Vielmehr dürfte es darauf hinauslaufen, dass für die Gleichstrom-Installationen spezielle Kabel verwendet werden müssen. Andere Schalter wird man sowieso benötigen. Realistisch wäre also eine Gleichstrom-Installation parallel zur Wechselspannungs-Installation.

Oder besser gesagt wünschenswert. Denn dass sich die Gleichspannungstechnik in Deutschland kurzfristig durchsetzt, ist für Frank Berger keineswegs ausgemacht. Deutschland sei mit seinem Wechselspannungsnetz sehr gut versorgt und es werde schwer, diese neue Technik trotz der Vorteile hierzulande zeitnah durchzusetzen. Anders sehe es auf anderen Kontinenten aus. „Ein Viertel der Menschheit hat keine Elektrizität“, so Berger. Inselnetze mit Gleichstrom seien beispielsweise in ländlichen Gebieten Indiens der beste Weg, um die Menschen in absehbarer Zeit mit Strom zu versorgen. (Quelle: Unterlagen Lapp-Jahrespressekonferenz - Prof. Frank Berger)

Was ist Gleichstrom bzw. Wechselstrom? - Quelle: TheSimplePhysics

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