Das im Gotthard Basistunnel verbaute Klimakonzept muss auf einer Tunnelstrecke mit einer

Das im Gotthard Basistunnel verbaute Klimakonzept muss auf einer Tunnelstrecke mit einer Gesamtlänge von 154 Kilometern zuverlässig bei Umgebungstemperaturen von minus 20 und plus 40 Grad Celsius arbeiten. (Bild: Pfannenberg)

Der Gotthard-Basistunnel kann mit vielen herausragenden Zahlen beeindrucken: Mit 57 Kilometern ist der längste Eisenbahntunnel der Welt, und seine Tunnelstrecke mit allen Quer- und Verbindungsstollen erstreckt sich über rund 154 Kilometer. Mit Geschwindigkeiten bis zu 250 Kilometer pro Stunde sollen hier ab 2016 Personenzüge die Reisezeit zwischen zum Beispiel Mailand und Zürich auf weniger als drei Stunden verkürzen, die Transportleistung auf der Schweizer Nord-Süd-Achse soll mit 40 Millionen Tonnen Gütern nahezu verdoppelt werden.

Betrachtet man diese Zahlen, wird klar, dass der sichere und reibungslose Betrieb im Tunnel stets gewährleistet sein muss.

Um diese Sicherheit zu erreichen, müssen die im Tunnel eingesetzten Technologien auf dem neuesten Stand sein; das gilt sowohl für die gesamten Anlagen als auch für die einzelnen Komponenten. Hierzu zählen die Schaltschrank-Klimageräte der Firma Pfannenberg, die sich unter anderem in den 176 Querschlägen des Tunnels befinden. Diese Klima- beziehungsweise Kühlgeräte stellen sicher, dass es in den Schaltschränken nicht zu einer zu hohen thermischen Belastungen der dort verbauten elektronischen Komponenten kommt und diese über ihre gesamte Lebenszeit sicher und zuverlässig funktionieren.

Schaltschränke halten jedem Wechseldruck stand

Die größten technischen Herausforderungen bei dem Projekt im Gotthardtunnel waren die hohen Anforderungen an die Schutzklasse der Schaltschränke mit IP65 sowie die hohe Wechseldruckbelastung, die durch die durchfahrenden Züge verursacht wird. Beim Einfahren schiebt der Zug die Luft vor sich her, und es entsteht ein Überdruck, bis der Zug den Querschlag, in dem die Schaltschränke stehen, passiert. Sobald der Zug vorüber ist, wandelt sich der Überdruck dann schlagartig zu einem entsprechenden Unterdruck. Diesen Wechseldruckbelastungen von bis zu plus/minus fünf Kilopascal sind alle Schaltschränke und damit auch die angebauten Kühlgeräte ausgesetzt. Es musste also sichergestellt werden, dass alle Geräte diesem Druckwechsel mechanisch standhalten, bei gleichzeitiger Realisierung der hohen Schutzart.

Pfannenberg und Swibox

Ein erprobtes Team

Bei dem Projekt Gotthard Basistunnel haben sich zwei langjährige Partner erneut zusammengetan: Die Firma Pfannenberg, ein mittelständiges Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg und Spezialist für Schaltschrank-Klimatisierungslösungen und die Firma Swibox, ebenfalls ein Spezialist auf dem Gebiet des Sonderschaltschrankbaus mit Sitz in Balterswil in der Schweiz.
In den Anfängen der Zusammenarbeit wurden von Pfannenberg Standardprodukte aus dem umfangreichen Produktportfolio in den Swibox Schaltschränken verbaut. Bei dem Projekt „Lötschberg Tunnel“ im Jahre 2003 kam es zum ersten Mal zu einer kundenspezifischen Entwicklung eines Klimatisierungskonzeptes, das speziell für die anspruchsvollen Anforderungen von Bahn-Tunnel-Applikationen erarbeitet wurde.

Dank dem in Zusammenarbeit mit der Firma Swibox speziell entwickelten mechanischen Geräteaufbau, der auch unter Druckbelastung eine dichte Trennung zwischen der Umgebung (Geräte-Außenseite) und dem Schrank Innenraum (Geräte-Innenseite) sicherstellt, konnten diese Anforderungen erfüllt werden. Eine Besonderheit ist hier der entwickelte Druckkörper, in dem die Komponenten des inneren Kühlkreislaufes untergebracht sind. Dabei war es nicht einfach mit dem Einsatz eines verstärkten Bleches getan: Erst die Auswahl eines geeigneten Materials und die erhöhte Materialstärke in Kombination mit speziell angebrachten Versteifungsblechen führten zur gewünschten Druckfestigkeit.

Nicht einfach nur kühlen

Eine weitere Herausforderung in Tunneln ist die Umgebungsluft. Große Temperaturunterschiede von minus 20 bis zu plus 40 Grad Celsius, maximale Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent, sowie eisenhaltiger Abrieb der Bremsen, Schienen und Fahrleitung in der Umgebungsluft erhöhen die Korrosionsgefahr und zeigen, wie unterschiedlich zu Standardanwendungen eine Tunnelapplikation ist.
Es musste also ein spezielles Klimakonzept für genau diese Anwendung ermittelt werden. Dass es dabei nicht ausschließlich um die Kühlung der Komponenten gehen kann, wird klar, wenn man sich noch einmal die Aufgabe der Schaltschrank-Klimatisierung genauer betrachtet. Sie beinhaltet einen umfänglichen Schutz für die elektronischen Komponenten vor schädlichen Umgebungseinflüssen wie Staub, Feuchtigkeit und Temperatur.

Der Schutz spielt natürlich eine besondere Rolle, aber auch andere Faktoren wie zum Beispiel die Lebensdauer von elektronischen Komponenten kann durch die Klimatisierung beeinflusst werden. Dass eine Schaltschrank-Klimatisierung notwendig ist, ist vielen Entwicklern und Konstrukteuren bewusst, aber woher die eigentliche Anforderung kommt, oftmals nicht. Hier hilft es, wenn man die technischen Daten von häufig verbauten Komponenten näher betrachtet, insbesondere kostenintensive Komponenten wie Steuerungen.

Die Steuerung in modernen Schaltanlagen basieren auf Halbleiter-Bauelementen. Immer leistungsfähigere Überwachungs- und Regelungselemente kommen hier zum Einsatz. Die extrem hohen Packungsdichten haben eine höhere Verlustleistung zur Folge. Je größer der Temperaturstress dieser Komponenten ist, desto geringer ist deren Lebensdauer. So kann es beispielsweise leicht zu Überhitzungen – den so genannten Hotspots – und im schlimmsten Fall zu vorzeitigen Ausfällen kommen.

Die Luftfeuchtigkeit ist ein weiterer Parameter, den man im Rahmen eines Schaltschrank-Klimakonzeptes bewerten muss. In der Umgebungsluft befindet sich immer ein Anteil von gelöstem Wasser. Je nach Temperatur kann von der Luft eine mehr oder minder große Menge an Wasser aufgenommen werden. Nimmt die Temperatur etwa durch den Tag-/Nachtwechsel ab, so besteht die Gefahr der Kondensatbildung auf und zwischen elektronischen Bauteilen – Korrosion und Ausfälle der Elektronik können auch hier die Folge sein.

Seit 2005 wurde begonnen, das gemeinsam entwickelte Klimatisierungskonzept zu implementieren. Nebst den Kühlgeräten, welche vor allem im Berginneren (Temperaturen bis 40 °C) zum Einsatz kommen, mussten in den Portalbereichen (Temperatur bis minus 20 °C) auch Heizungen verbaut werden.

Diese Heizungen stellen sicher, dass die Temperatur im Schaltschrank nicht unter den sogenannten Taupunkt fällt. Der Taupunkt beschreibt die Temperatur von feuchter Luft, die bei unverändertem Druck unterschritten werden muss, damit sich die in der Luft gelöste Menge an Wasser als Kondensat abscheidet. Am Taupunkt beträgt die relative Luftfeuchtigkeit 100 Prozent, das heißt die Luft ist dann mit Wasserdampf gesättigt.

Mit dem neuen Projekt Gotthard Basistunnel folgt nun die Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit beider Unternehmen. 2006 begann man auf Basis des bewährten Konzeptes mit der Erarbeitung einer Lösung für die gestiegenen Anforderungen an die Schaltschrankklimatisierung. Zum Beispiel wurden die Anforderungen an die Wechseldruckwechselbelastung mit plus/minus zehn Kilopascal verdoppelt, was eine komplette mechanische Überarbeitung des Kühlgerätes notwendig machte. Das neue Design bewies seine Funktionalität zusammen mit dem Schaltschrank in einem extra für solche Projekte entwickelten Prüflabor der Firma Swibox und durchlief erfolgreich 200.000 Druckwechselbelastungen bei plus/minus zehn Kilopascal.

Controller sichern Anlagenverfügbarkeit

Die Einbindung der Schaltschrank-Klimageräte an das zentrale Tunnelleitsystem war eine weitere Anforderung, die es zu realisieren galt. Durch die Anbindung hat man zukünftig die Möglichkeit auf alle Betriebsdaten des Kühlgerätes zuzugreifen. So kann man zum Beispiel die aktuelle Schaltschranktemperatur auslesen oder die Betriebsstunden der wichtigsten Hauptkomponenten überwachen. Dies ist besonders wichtig, um ungeplante Ausfälle zu vermeiden und so durch im Vorfeld geplante Wartungsarbeiten eine hohe Anlagenverfügbarkeit zu garantieren. Diese dafür neu entwickelte Pfannenberg-Controller-Generation mit einem Ethernet-Übertragungsprotokoll bietet eine Vielzahl von Parametern, die nun in der zentralen Tunnelsteuerung überwacht werden können.

Schaltschrank Swibox

Der Schaltschrank Gotthard von Swibox mit DTGT Kühlgerät von Pfannenberg ohne Haube. Bild: Swibox

Kühlgerät DTGT

Das Kühlgerät DTGT ist auf der Schaltschrankrückseite montiert. Bild: Swibox

Die Controller kommen jedoch nicht nur direkt in den Kühlgeräten zum Einsatz. Auch in 500 weiteren Schaltschränken ohne Kühlgerät wurde der Klima-Controller eingebaut. Dieser ermöglicht eine Temperaturüberwachung, welche wie die Klimageräte mit dem Tunneleissystem kommunizieren können und bei Bedarf ohne Umbau der Datenübertragung mit einem solchen ersetzt werden können.

Ein weiteres Novum in dieser Entwicklung ist die Beachtung der Energieeffizienz. Daher wurde ein intelligentes Steuerungskonzept implementiert, durch das man die ohnehin schon sehr gute Energieeffizienz im aktiven Kühlmodus des Gerätes, zusätzlich im passiven Kühlmodus (nur die Schaltschrankluft wird umgewälzt) optimiert hat. Durch den Einbau eines Temperatursensors an der vermeintlich kritischsten Stelle im Schaltschrank wird der interne Lüfter, der für die Umwälzung der Luft im Schaltschrank verantwortlich ist, nur dann zugeschaltet, wenn eine definierte Grenztemperatur überschritten wird.

Gotthard Basistunnel

Das im Gotthard Basistunnel verbaute Klimakonzept muss auf einer Tunnelstrecke mit einer Gesamtlänge von 154 Kilometern zuverlässig bei Umgebungstemperaturen von minus 20 und plus 40 Grad Celsius arbeiten. Bild: Pfannenberg

Das Kühlgerät fängt erst dann wieder an aktiv zu kühlen, wenn trotz des Umwälzens der Luft eine Grenztemperatur überschritten wird.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die garantierte Geräteverfügbarkeit von zehn Jahren nach Inbetriebnahme des Tunnels 2016. Hieraus leiteten sich auch die erhöhten Anforderungen an die Wartungsfreundlichkeit ab.

So musste erreicht werden, dass die MTTR (Mean Time to Repair) möglichst kurz ist, also die Zeit, die notwendig ist, Komponenten im Rahmen von definierten Wartungsarbeiten zu tauschen.

Im Jahr 2010 begann die Auslieferung der ersten Kühlgeräte an die Firma Swibox. Mittlerweile werden sie sukzessive in den 176 Querschlägen des Gotthard Basistunnels zusammen mit den Schaltschränken verbaut. Schon jetzt beweisen sie täglich ihre Zuverlässigkeit, denn die verschiedenen Testphasen bis zum Start des fahrplanmäßigen Bahnbetriebes in 2016 haben schon lange begonnen. 

 

 

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