Die Anforderungen an die Automatisierung werden weiterhin von den Industrie-4.0-Trends geprägt. Ein wesentlicher Hebel für Produktivitätssteigerungen ist die intelligente Auswertung von Maschinen- und Fertigungsdaten. „Mit dem
digitalen Zwilling bekommt die Automatisierung parallel zur klassischen Maschinensteuerung immer mehr IT-Aufgaben“, formuliert Heinz Eisenbeiss, Leiter Marketing Factory Automation bei der Siemens-Division Digital Factory. „Anwenderseitig ist hier der Markt noch sehr differenziert. Während im Mainstream das Angebot an klassischer Automatisierung unverändert attraktiv bleibt, muss man gleichzeitig die Unternehmen unterstützen, die bereit sind für einen technologischen Wandel.“ Die zusätzlichen Aufgaben der Automatisierung erhöhen aber auch deren Komplexität. Deshalb etablierte Siemens mit dem TIA-Portal eine übergreifende Engineering-Plattform, in die sukzessive neue Automatisierungsaufgaben- und -komponenten integriert werden können. In Kombination mit Softwareumgebungen wie Teamcenter, NX und Mindsphere schafft dies eine hohe Produktivität beim Engineering, die sich durch neue Technologien wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen noch weiter vergrößert. Dazu müsse aber die Hardware neuen Anforderungen gerecht werden und in Sachen Rechenleistung die aktuelle Steuerungsgeneration um einige Faktoren überschreiten, so Eisenbeiss.

Industrie-PC-Serie C60xx,
Ob Steuerungs- oder Edge-PC, jede Applikation stellt andere Hardware-Anforderungen. Die neue Industrie-PC-Serie C60xx mit den aktuellen Ultra-Kompakt-IPCs C6015, C6017 und C6030 bietet hier optimale Möglichkeiten. (Bild: Beckhoff)

In der Fabrik der Zukunft von Bosch Rexroth sind nur noch Boden, Wände und Decke unveränderbar. Alle Maschinen und Anlagen sind mobil und können sich innerhalb kürzester Zeit zu neuen Linien gruppieren. Sie tauschen drahtlos über standardisierte Protokolle alle notwendigen Daten aus. Das Produkt teilt den Bearbeitungsstationen mit, welche Arbeitsschritte notwendig sind. Dazu ist eine Verschmelzung der realen Fertigung mit der virtuellen Welt der Informationstechnologie notwendig. „Anwender werden mit den digitalen Zwillingen der Maschinen und Werkstücke über Edge- oder Cloud-basierte Systeme sämtliche Fertigungsdaten kontinuierlich erfassen und analysieren, um die Abläufe zu optimieren“, äußert Steffen Winkler, Vertriebsleitung der Business Unit Automation & Electrification Solutions bei Bosch Rexroth.

Dr. Josef Papenfort,
(Bild: Beckhoff)

„Die Automatisierungstechnik entwickelt sich kontinuierlich weiter und die Anwender drängen mit vielen neuen Anfor- derungen. Für die Hersteller heißt dies, noch performantere PC-basierte Steuerungen und weitere Optimierungen für ein professionelles und effizientes Engineering zu entwickeln. Hierzu bietet Beckhoff mit der Automatisierungssoftware TwinCAT und deren Integration in das Microsoft Visual Studio einen modernen Weg an.“

Dr. Josef Papenfort, Produktmanager TwinCAT, Beckhoff Automation

Echtzeit-basiertes Ethernet TSN

Bosch Rexroth sieht deshalb im Time Sensitive Networking (TSN) sehr großes Potenzial, insbesondere in Verbindung mit OPC UA, um eine durchgängige Kommunikation vom Sensor bis zur Cloud zu ermöglichen. „Deshalb beteiligen wir uns seit mehreren Jahren intensiv an der Erarbeitung von Systemkonzepten und an Standardisierungsaktivitäten. Wir sammeln Erfahrungen mit Prototypen und erproben die Interoperabilität zusammen mit anderen Unternehmen in den Testbeds und Plugfesten des Industrial Internet Consortiums (IIC)“, erklärt Steffen Winkler. „Da wir vor Jahren beim Design von Sercos III die jetzt mit TSN verwirklichten Echtzeiteigenschaften berücksichtigt haben, besteht eine hohe konzeptionelle Nähe zwischen Sercos III und TSN. Eine Migration von Sercos III nach TSN wird auf einfachem Weg möglich sein.“

Kontron TSN-Starterkit,
Kontron hat auf der Embedded World 2018 sein neues TSN-Starterkit präsentiert. Dessen Herzstück ist der wartungsfreie Industriecomputer KBox C-102-2, der eine TSN-Netzwerkkarte bereits mit Software und Real Time Linux Betriebssystem vorintegriert hat. (Bild: Kontron)

Siemens ist bei der TSN-Technologie von Anfang an dabei, etwa in den Standardisierungs-Gremien wie IEEE und IEC. Zudem erarbeitet das Unternehmen seit über einem Jahr zusammen mit vielen anderen ein TSN Testbed beim LNI 4.0 (Labs Network Industrie 4.0 e.V.). Heinz Eisenbeiss erklärt: „Wir werden diese Basis-Technologie sowohl für Profinet als auch OPC UA nutzen. Wichtig ist, dass bei der Standardisierung in der PNO und OPC-Foundation darauf geachtet wird, dass die verschiedenen höherwertigen Protokolle auf einem gemeinsamen, konvergenten TSN-Netzwerk parallel betrieben werden können.“ Dazu hat Siemens die IEC/IEEE 60802-Standardisierungsgruppe mit den wesentlichen Automatisierungs-Playern aus Asien, Europa und den USA ins Leben gerufen und leitet diese. Auf der SPS IPC Drives 2018 wird Siemens Prototypen für die Controller/Controller-Kommunikation mit OPC UA PubSub und TSN zeigen. Dabei kommunizieren und synchronisieren zwei Simatic-Steuerungen unterlagerte Roboter. Folgen wird Profinet mit TSN in der Feldebene, wozu am PNO-Stand erste Proof-of-Concepts zu sehen sein werden.

„Gerade die neuen Erweiterungen des Ethernet-Standards in Richtung Echtzeitfähigkeit (IEEE802.1 TSN) bieten die Chance, in ganz neue Dimensionen vorzustoßen. Kontron bietet hierzu Ethernet-Schnittstellen bei allen Computerplattformen und auch erste TSN-Produkte, wie eine TSN-Netzwerkkarte und TSN-Starterkits mit zwei vorkonfektionierten Systemen und entsprechender Software an“, sagt Norbert Hauser und betont, dass der TSN-Standard Industrieunternehmen einen großen Schritt näher an ihre Vision einer optimal vernetzten Fertigung bringe. „Auf der Embedded World 2018 haben wir unsere TSN-Netzwerkkarte erstmals vorgestellt. Sie ist herstellerunabhängig einsetzbar, ermöglicht einen unkomplizierten Einstieg ins Time Sensitive Networking und erweitert die Kontron Box PCs (KBox C-Serie), die 19-Zoll-Server und Workstations (KISS Serie) sowie Embedded Server (ZINC CUBE Serie).“ Auch B&R arbeitet im Rahmen des TSN-Testbeds bei der Entwicklung der Technologie mit und testet seine OPC-UA-TSN-Prototypen auf Interoperabilität zu denen anderer Mitglieder. „Das IIC-Testbed ist ein Beweis dafür, dass Innovationszyklen immer kürzer werden“, meint Sebastian Sachse, Technology Manager Open Automation bei B&R. „Die Vorbereitungen für das Testbed haben vor zwei Jahren begonnen und heute sind die ersten Kernfähigkeiten zur technologischen Reife getragen. Für eine völlig neue Technologie ist dies außergewöhnlich. Die Inbetriebnahme von Komponenten wird sich durch die gewonnene Interoperabilität massiv vereinfachen. Es muss nur noch das Netzwerkkabel eingesteckt werden und schon funktioniert die Kommunikation im ganzen Netzwerk. Damit ist das Zeitalter von Plug-and-Produce gekommen“, so Sachse weiter. „Einfachheit in der Handhabung ist ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Einführung neuer Technologien. Dabei sind allerdings die Engineering-Tools über die gesamte Engineering-Kette zu betrachten“, entgegnet Holger Meyer.

Und hier verschwimmen die Verantwortlichkeitsgrenzen im übergreifenden funktionalen Anlagenkontext. Neben der Steuerungsfunktion gibt es in einem TSN-Netzwerk beispielsweise Big-Data-Analyse- oder Asset-Management-Funktionen, deren Komplexität sich aber nicht auf die Wartbarkeit, Testbarkeit oder Stabilität auswirken darf. „Und hier kommen zurzeit noch die größten weißen Flächen in der TSN-Technologie auf, denn die geforderte Einfachheit steht leider in keiner Norm oder Profilbeschreibung“, so Meyer weiter.

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