Gauss-Projekt mit Lapp,

Das „Gauss-Concept“ Rennmotorrad der Darmstädter Studenten ist mit einer ausgeklügelten Motorkühlung sowie mit einem System zur Rückgewinnung der Bremsenergie ausgestattet. (Bild: Lapp)

Motorräder scheinen eine große Anziehungskraft auszuüben. Immer wieder finden sich in Studien- oder Abschlussarbeiten gewagte Entwürfe für schnelle Zweiräder, neuerdings zunehmend mit Elektromotor. Die wenigsten dieser Entwürfe schaffen es jemals auf die Straße. Anders beim „Gauss-Concept“, das Marcel Attila Kiss 2010 in seiner Diplomarbeit entwickelt hat. Neben einem coolen Design überrascht es mit einer Reihe technischer Neuerungen, etwa mit einer ausgeklügelten Motorkühlung sowie mit einem System zur Rückgewinnung der Bremsenergie über das Vorderrad.

Das Konzept überzeugte auch Hans Peter Bauer. Dem Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Darmstadt schlug der junge Industriedesign-Absolvent vor, aus der theoretischen Diplomarbeit im Rahmen seines anschließenden Maschinenbau-Studiums ein größeres Studentenprojekt zu machen und das Motorrad mit Unterstützung von Sponsoren tatsächlich zu bauen. Heute forschen, entwickeln und schrauben bis zu 50 Studierende im Gauss-Projekt. Gleich bei seiner Jungfernfahrt 2014 schoss das elektrisierte Motorrad mit 150 Kilometer pro Stunde über die Piste, 220 Kilometer pro Stunde ist die Spitzenleistung. 

Die erste Testfahrt des Gauss-Motorrads (Quelle: gauss-project.com)

Antrieb hinten, Energiegewinnung vorn

Einzigartig an dem Konzept ist die Energierückgewinnung, die beim Bremsen Strom erzeugt und diesen in die Batterie speist. Das alles passiert über Kabel des Stuttgarter Herstellers Lapp. Der Motor arbeitet dann als Generator. Bei Elektro- und Hybridautos ist das nichts neues und auch Motorräder mit Rekuperation gibt es schon. Sie gewinnen die Bremsenergie allerdings über das Hinterrad, das vom Elektromotor angetrieben wird. Das bringt im Rennbetrieb wenig, denn bei einer Vollbremsung hebt das Hinterrad von der Straße ab, die Verzögerung erfolgt dann ausschließlich über das Vorderrad. Das Gauss-Motorrad zapft die Bremsenergie deshalb vom Vorderrad, also dort, wo bei einem Motorrad beim Bremsen die meiste Energie anfällt.

Ins Vorderrad einen Generator einzubauen wäre die naheliegende, wegen der zusätzlichen ungefederten Masse allerdings ungünstigere Lösung gewesen. Stattdessen überträgt eine raffinierte Mechanik aus Teleskop-Kardanwellen das Bremsmoment der elektrischen Bremse über die Gabel nach hinten an den zentral sitzenden Elektromotor. Nicht viele haben dieser Idee Chancen eingeräumt, denn wenn gebremst und gleichzeitig gelenkt wird entstehen in der Gabel Kräfte, die mit der zusätzlichen Mechanik Einfluss auf die Lenkung haben könnten.

Eine ausgeklügelte Mechanik sorgt jedoch für ein neutrales Lenkverhalten auch bei Nutzung der elektrischen Bremse, auch dank des für ein Elektromotorrad überraschend geringen Gewichts von 170 Kilogramm. Andere ähnlich leistungsfähige Elektro-Motorräder wiegen oft über 200 Kilogramm.  Ziel ist, dass ein Pilot keinen Unterschied zwischen einer mechanischen und elektrischen Bremse spürt – dass sie genauso exakt dosierbar ist, mit genauso klarem Druckpunkt, wie eine herkömmliche Scheibenbremse.

Gauss-Motorrad,
Gleich bei seiner Jungfernfahrt 2014 schoss das elektrisierte Motorrad mit 150 Kilometer pro Stunde über die Piste; bis zu 220 km/h sind möglich. (Bild: Lapp)

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