Pressen: Hydraulik arbeitet im mechatronischen Verbund 1

Das umformtechnische Kolloquium Hannover bewies, dass sich hydraulische Antrieblösungen für Pressen in Sachen schnelle Regelbarkeit nicht verstecken müssen. Ein Highlight: Eine doppeltwirkende Hydraulikpresse mit Echtzeitregelung.
Autor: Nikolaus Fecht, freier Journalist

Lothar BauersachsOhne Hydraulik geht es nicht“, betonte Dipl.-Ing. (FH) Lothar Bauersachs, stellvertretender Geschäftsführer Vertrieb bei der Firma Lasco Umformtechnik, Coburg. Der fränkische Werkzeugmaschinenhersteller entwickelt zwar auch Lösungen mit Torque-Antrieb, doch beim eigentlichen Schmieden setzen die Franken auf Hydraulik. 

Vor zwei Jahren startete das Unternehmen beispielsweise mit der Entwicklung der Vorformanlage AR-D 320, die mit einfachen und kostengünstig herstellbaren Werkzeugen aus Standard-Halbzeugen komplexe Vorformen erzeugt. Die Ziele: Sie soll präzisere Konturen als übliche Reckanlagen herstellen und gleichzeitig sehr energieeffizient arbeiten. 

Die Anlage ist laut Lasco eine „mögliche Alternative zu Radialumformmaschinen, Freiformschmiedeanlagen und herkömmlichen Reckanlagen“. 

Die horizontal arbeitende Presse (Umformkraft je Umformstempel 3200 Kilonewton, Hubfrequenz 200 Hübe/Minute) besitzt zwei sich aufeinander zu bewegende, hydraulisch angetriebene Stößel. Lasco sah sich am Markt nach passenden Hydraulikantrieben um. „Doch mit Blick auf die geforderte Leistung und die Energieeffizienz stießen wir bei den klassischen Hydraulikantrieben schnell an die Grenzen“, sagte Bauersachs. 

Daher setzte das Unternehmen auf Eigenentwicklung. Zwei Hauptzylinder mit den integrierten Stößeln (mit Anbauflächen für Umformwerkzeuge) arbeiten gegenläufig. Der Kolbendurchmesser der beiden Umformstempel beträgt 370 mm und der Hub 200 mm. Die Hydraulik arbeitet mit einem Betriebsdruck von maximal 315 bar und einem Volumenstrom von jeweils 2300 l/min. 

Lasco kommt ohne Ventile aus, verwendet hingegen direkt mit den Hydraulikzylindern verbundene Ein-Kolben-Pumpen. „Die Kolben der Zylinder folgen 1:1 den sinusförmigen Bewegungen der Ein-Kolben-Pumpen“, erläuterte der Fachmann. „Wir konnten so ein Hydrauliksystem aufbauen, das harmonisch ohne Laststöße abläuft – bei 200 Hüben pro Minute.“ 

Weil Anwender mit der Presse unterschiedliche Konturen schmieden, benötigt die Umformmaschine ein System zum Verstellen des Hubes. Dazu müssen die Stößel unterschiedlich positioniert werden. Lasco verändert die Hublage durch Ein- und Ausströmen von Öl in die Zylinder. Statt sonst üblicher Axialkolbenpumpen übernehmen Servoaggregate diese Aufgabe. 

Es handelt sich um eine Kombination aus elektrischen Servomotoren und Hydraulikpumpen, bei der die Flussrichtung des Öles durch Variieren der Drehzahl und -richtung geändert wird. Das ist aber eine Zeitfrage, denn bei 200 Hüben pro Minute stehen pro Hub zum Verstellen gerade mal 300 Millisekunden zur Verfügung. 

Hochdynamische Steuerung gefragt  

Weil das Einführen des Öles aber nur bei der Rückbewegung des Stößels möglich ist, muss es in weniger als 150 Millisekunden geschehen. In dieser Zeit lässt sich die Hublage um bis zu 20 Millimeter verändern. Hinzu kommt: Die zwei schienengebundenen und hängend angeordneten Manipulatoren müssen das Werkstück (Masse bis 200 Kilogramm) innerhalb der 150 Millisekunden um maximal 60 Millimeter bewegen. 

Dazu stattete sie der Maschinenhersteller mit hochdynamischen Servomotoren aus. „Es zählt jede Millisekunde“, betonte Bauersachs. „Wir benötigen daher eine hochdynamische Steuerung, die mit den einzelnen Bewegungen sehr gut synchronisiert wird.“ 

Lasco entschied sich für ein PC-basiertes System (Simotion von Siemens) mit einer Bustaktrate von 0,25 Millisekunden. Um flexible Arbeitsweise zu ermöglichen, können die freiprogrammierbaren Manipulatoren nach dem Master/Slave-Prinzip arbeiten. So kann ein Manipulator beispielsweise auch ein kürzeres Teil allein transportieren, während beide zusammen größere, bis zu 1700 Millimeter lange Werkstücke handhaben. 

Bei der anschließenden Diskussion interessierte einen Zuhörer, wie die hohen Volumenströme erzeugt werden und ob das Öl gekühlt wird?  „Weil die Ein-Kolben-Pumpe direkt mit dem Hauptzylinder verbunden ist, sind die hohen Volumenströme kein Problem“, lautete die Antwort. „Wir haben eine Kühlleistung von 40 Kilowatt vorgesehen – bei 550 Kilowatt installierter Antriebsleistung.“ 

Peter WesthoffBei den Eumuco Hasenclever-Gesenkschmieden der Firma SMS Meer, Mönchengladbach, befindet sich die Servoelektrik auf dem Vormarsch. Doch auf die Hydraulik kann und will das Unternehmen auch nicht verzichten. Bei größeren Leistungen setzt SMS Meer auf die klassische Bauform mit Schwungrad, Exzenterwelle und geschaltetem Antrieb. 

Dipl.-Ing. Peter Westhoff von der Abteilung Konstruktion, Service und Vertrieb: „Dieser Antrieb lässt sich auch mit einer hydraulischen Kupplungsbremskombination umschalten.“ Diese Lösung  ist nicht neu bei kleineren Schmiedeanlagen. Bei sehr großen Drehmomenten kamen dagegen meist pneumatische Systeme der Marke Eigenbau zum Einsatz. 

SMS Meer hat nun eigene hydraulische Kupplungsbremssysteme für direkt schaltende Kupplungen entwickelt, die sich für große Pressen mit einer maximalen Presskraft von 40 Meganewton eignen. Für die Neuentwicklung sprechen laut Westhoff die hohen Schaltzahlen (28 bis 40 Schaltvorgänge/Minute) durch die interne Flüssigkeitskühlung der Lamellen (nasslaufend). 

Das System versorgt die Kupplungs- und Bremslamellen mit Kühlöl und von daher begrenzt die entstehende Wärmebelastung die geforderten hohen Schaltzahlen nicht. 

Weitere Vorteile: 

  • kein Druckluftverbrauch
  • geringer Verschleiß durch Verwendung von Stahl- und Sinterlamellen im Ölbad
  • niedriger Geräuschpegel wegen Wegfall der abströmenden Druckluft und Schaltgeräusche

Diese Bauart lässt sich jedoch bei größeren Pressen nicht ohne weiteres verwirklichen. Da aber Anwender die Vorteile des Hydrauliksystems auch bei Umformmaschinen mit Presskräften von bis zu 125 Meganewton nutzen wollen, entstanden bei SMS Meer Systeme mit Vorschaltkupplungen. 

Es kommt eine nasslaufende Lamellenkupplung zum Einsatz, die sich mit Öl kühlen lässt und die über die gleichen Eigenschaften wie die hydraulischen Kupplungsbremssysteme für kleinere Pressen (bis 40 Meganewton) verfügt. Hier gibt es zusätzlich eine integrierte, hydraulisch betätigte Trockenkupplung. 

Das Schalten (25 bis 30 Schaltungen/Minute) läuft schlupf- und verlustfrei ab, weil das Synchronisieren über die Kupplungsscheiben der kleineren Kupplung geschieht. 

Die größten geschalteten Kupplungen kommen in Kupplungsspindelpressen zum Einsatz. Hydraulik übernimmt dabei das Schließen der Trockenkupplung. Dank des Schwungrades lassen sich großen Presskräfte erzeugen. 

Die größte Kupplung befindet sich an einer 355-Meganewton-Presse, die mit einem Schwungrad mit sieben Meter Durchmesser und Kupplungen mit fünf Meter Scheibendurchmesser ausgestattet ist. Westhoff: „Die Motorleistung beträgt hier nur 500 Kilowatt.“ Der Antrieb überträgt größte Drehmomente bei Nenndrehzahlen von bis zu 36 U/min. 

Auch das Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen ist in Sachen Antriebstechnik aktiv: Das IFUM präsentierte auf dem umformtechnischen Kolloquium Hannover nicht nur einen revolutionären, kontaktfreien Vorschub, sondern auch eine hydraulische Schwingeinrichtung zum Erweitern der Prozessgrenzen beim Massivumformen. 

„Bisherige hydraulische Systeme ermöglichen niederfrequente Schwingungen mit großen Amplituden“, erläuterte Dr.-Ing. Sven Hübner, Abteilungsleiter Blechumformung „Mit piezoelektrischen Betriebssystemen lassen sich dagegen hochfrequente Schwingungen mit kleiner Amplitude realisieren.“ 

Die Niedersachsen vereinen nun die Pluspunkte beider Antriebsarten in einem System: Die Hydraulik soll hochfrequente Schwingungen mit großer Amplitude erzeugen. Es handelt sich um eine Schwingeinrichtung mit einem neuen Rotationskolbenventil, das die Schwingung im Krafthauptfluss der Maschine überlagert. 

Ein drehzahlgeregelter Elektromotor mit Frequenzumrichter treibt einen Rotor an. Ein 100-Liter-Hydraulikspeicher versorgt das Ventil mit einem Nenndruck von 330 bar mit Öl. Der Rotor besitzt radiale Kanäle und eine axiale Verbindung zu einem Hochfrequenzzylinder. Der Stator verfügt über radial angeordnete Kanäle zur Pumpe und zum Tank. 

Durch das Rotieren wird der Druckraum des Zylinders abwechselnd mit der Pumpe oder mit dem Tank verbunden. „Die Frequenz des Ölstroms ist damit von der Winkelgeschwindigkeit des Rotors abhängig“, sagte der Wissenschaftler. 

Dr.-Ing. Sven HübnerDas Ergebnis kann sich sehen lassen: Während übliche Servoventile eine maximale Grenzfrequenz von rund 500 Hertz aufweisen, kommt es laut IFUM selbst bei den „angepeilten 1000 Hertz“ noch zu einem ordentlichen Volumendurchsatz. 

Eine wichtige Aufgabe übernimmt dabei der Hochfrequenzzylinder. Das selbst entwickelte Aggregat arbeitet etwa wie ein doppeltwirkender Zylinder. Er befindet sich direkt unter dem Ziehstempel und sorgt für das Übertragen und Einleiten von hohen Frequenzen und Kräften in den Blechmassivumformprozess. 

Der untere Druckraum verhindert, dass der auf- und abwärtsbewegende Zylinderkolben gegen den Boden stößt. Dieses „hydraulische, sich ständig verändernde Polster“ sorgt für einen sehr verschleißarmen Betrieb. Die Umformkraft und der Druck im oberen Druckraum bewegen den Kolben abwärts. 

Die Aufwärtsbewegung geschieht mit Hilfe des Öldrucks, den das Ventil auf den Druckraum überträgt. Der untere und der obere Druckraum lassen sich abwechselnd unter Druck setzen, um so der Kolbenbewegung entgegen zu wirken. Auf diese einfache Art und Weise ermöglicht das IFUM eine Lageregelung. 

Am IFUM entstand nach vorheriger akribischer Computeroptimierung ein komplett getestetes Hydraulikmodul, das sich direkt an der Umformeinheit einbauen lässt. Dr. Hübner: „Wir haben diese Einheit nicht ausgelagert, um die Ölsäulen im Prozess möglichst gering zu halten.“ Noch fahren die Forscher die noch nicht eingebaute Schwingungseinheit mit moderaten Parametern (Nenndruck 100 bar, Frequenz 250 Hertz). Höheren Belastungen soll das Modul erst nach Einbau in einer Presse ausgesetzt werden. 

www.ifum.uni-hannover.de  

www.lasco.com 

www.sms-meer.com

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