Und der letzte Schrei, ja das sind derzeit die Katapult-Achterbahnen, die Launched Coaster – elektrisch ebenso wie hydraulisch. Höher, schneller, weiter. Die Vergnügungsparks einer globalisierten Welt übertrumpfen sich mit Superlativen. Die Höchste, die Steilste, die maximale Beschleunigung und jetzt in Abu Dhabi die Schnellste muss es ein. Da frage ich mich als Achterbahn-Veteran: Wie sicher ist das alles überhaupt?

Stealth im englischen Thorpe Park -
Die Stealth im englischen Thorpe Park: Sie ist der größte Launched Coaster in Europa. Der Zug erreicht eine Geschwindigkeit von rund 128 km/h in knapp zwei Sekunden. (Bild: Stefan Scheer / Creative Commons)

Weil ich ein neugieriger Mensch bin, greife ich zum Telefonhöhrer und rufe einfach mal den mir nächstgelegenen TÜV an: TÜV Süd in München. Und siehe da, ich bin genau an der richtigen Stelle. Alleine wegen des jährlich stattfindenden Oktoberfests sind die Münchner seit 1929 Experten in Sachen Achterbahn und Karussell. Die zuständige Abteilung nennt sich „Fliegende Bauten, Freizeitparks“, auf Englisch „Amusement Parks, Rides & Structures“ und gehört organisatorisch zum „TÜV Süd Industrie Service“. Ich werde mit Projektleiter Thomas Uhrig verbunden, der sich die Anlage zehn Tage lang intensiv angesehen hat. Hier erfahre ich weitere Details: „Wir haben eine komplette Prüfung nach der europäischen Norm EN 13814 für Freizeitparks durchgeführt“, erklärt Uhrig. Dazu gehören die Prüfung von technischen Unterlagen, die Kontrolle der Produktion sowie die Abnahmeprüfung vor der Inbetriebnahme. Wieso der deutsche TÜV in arabischen Emiraten prüfen muss, frage ich. „Wir müssen nicht“, erwidert der TÜV-Mann, „gesetzliche Vorgaben wie in Deutschland gibt es hier meist nicht“. Aber, so Uhrig, die Investoren selber drängten darauf, nur eine sichere und zuverlässige Anlage in Betrieb zu nehmen. Als Investitionsschutz und als Schutz vor Imageschäden, die bei einem Unfall unvermeidlich wären. Und so kommt der Münchner Achterbahn-TÜV immer öfter zu weltweitem Ensatz.

„Das spannendste an der Anlage in Abu Dhabi ist die ungeheure Energie, die in kurzer Zeit freigesetzt wird und die sicher beherrscht werden muss“, erklärt Uhrig. „Immerhin liegt die Leistung der hydraulischen Seilwinde für den Antrieb der Formula Rossa bei etwa 24 000 kW, das sind 32 000 PS.“ Insbesondere im Bereich der Steuerung gab es die Herausforderung, den Startvorgang mit den sehr kurzen Reaktionszeiten in allen Phasen sicher abwickeln zu können, so der Experte weiter.

In der Realität: Messen und fühlen

Wie denn so ein Test abläuft, will ich wissen. „Man tastet sich tatsächlich sukzessive und im Falle einer solchen Anlage in sehr, sehr kleinen Schritten an Extremsituationen heran und misst, analysiert dann das Gesamtverhalten und die Reaktion der Anlage auf die simulierten Szenarien hin.“ Klar, werfe ich ein, aber so ein Hydromotor ist ja nicht so komplex. Thomas Uhrig widerspricht: „Es ist weit mehr als nur ein einzelner Hydromotor, der zudem eine sehr sehr große Winde antreibt, an der dann der Zugschlitten hängt. Das ist schon eine anspruchsvolle Anwendung.“ Und er ergänzt: „Mindestens genauso spannend, von Sicherheitsseite eher noch spannender, ist die Aufgabe, dass dieser Schlitten vor der Winde sicher wieder angehalten wird.“ Was im Übrigen nach dem Wirbelstromprinzip passiert.

Ob er auch mitgefahren ist, will ich wissen. „Klar, das gehört zu einer Abnahme dazu, das hat nichts mit Gaudi oder Heroismus zu tun“, wiegelt Uhrig ab. Ob es ihm denn keinen Spaß gemacht habe? „Doch, das hat unheimlich Spaß gemacht. Nachdem wir vor Ort acht Tage intensiv geprüft haben, Messgeräte haben mitfahren lassen, dann ist die erste Probefahrt schon auch ein Genuss. Aber wie gesagt, das ist nicht nur Spaß, es gibt auch einen subjektiven Test. Schließlich gibt es Effekte, die nur ein Mensch sinnvoll beurteilen kann.“ Das Team der Fliegenden Bauten hat nicht nur die Formula Rossa, sondern auch die anderen zwölf Attraktionen der Ferrari World abgenommen. Doch die Achterbahn war für Thomas Uhrig schon das Highlight. „Was an dieser Anlage besonders ist, ist die wirklich hohe Geschwindigkeit von 240 km/h, die kurz nach dem Abschuss erreicht wird. Anschließend fährt man zwar sehr schnell wieder in Bremsen hinein, um diese ungeheure Energie wieder gezielt abzubauen. Damit der Zug auf der restlichen Strecke seine weitläufigen Kurven noch mit einer akzeptablen Belastung absolvieren kann. Wobei auch diese Geschwindigkeit immer noch sehr hoch ist.“

Insgesamt ist der TÜV-Spezialist mit der Qualität der Anlage sehr zufrieden. Mit allen modernen Anlagen eigentlich, wie er betont. Die Hersteller hätten heute schon ein sehr hohes Niveau erreicht. Das wiederum beruhigt mich als einfachen Journalisten und begeisterten Achterbahn-Fahrer. Und während ich diese Zeilen schreibe, denke ich bereits darüber nach, wann ich denn einmal nach Abu Dhabi kommen könnte, um die Anlage, über die ich so viel erfahren habe, dann einmal selbst zu erfahren.

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