Beruf, Familie und Freizeit miteinander vereinbaren: Bei ebm-Papst in Mulfingen klappt das dank der

Beruf, Familie und Freizeit miteinander vereinbaren: Bei ebm-Papst in Mulfingen klappt das dank der freien Arbeitszeiteinteilung. Zwischen 5 und 22 Uhr kann man arbeiten, wann man will. (Bild: ebm-Papst)

Nicole Sturm (35) hat es gut. Die Diplom-Ingenieurin arbeitet beim Ventilatorenspezialisten ebm-Papst im baden-württembergischen Mulfingen im Bereich Entwicklung Verfahren. Sie kann in die Firma kommen, wann sie will. Das kommt der zweifachen Mutter entgegen. Beispielsweise, wenn sie einen Arzttermin hat oder beim Plätzchenbacken im Kindergarten ihrer sechsjährigen Tochter teilnimmt.

Das klingt nach einem Wunschkonzert? Fast. Das Ganze nennt sich flexibles Arbeitszeitmodell. In der Regel fängt die 35-Jährige um 6.30 Uhr an zu arbeiten und macht um 12 Uhr Feierabend, weil sie seit der Geburt ihres ersten Kindes eine Halbtagsstelle hat. Nicole Sturm ist selten darauf angewiesen, später zu beginnen, weil sich ihre Schwiegermutter morgens um ihre zwei und sechs Jahre alten Töchter kümmert. Somit können sie und ihr Mann, der ebenfalls bei dem Ventilatorenspezialisten angestellt ist, beruhigt ihrer Arbeit nachgehen.

Mehr Vertrauen in die Mitarbeiter setzen

Bei den Mulfingern ist das flexible Arbeitszeitmodell seit etwas mehr als einem Jahr Praxis. Auf Anfrage von Bereichen wie IT und Marketing, wo aufgrund von Servicezeiten und Erreichbarkeit internationaler Ansprechpartner keine Nine-to-five-Arbeitszeit möglich ist, wurde die ehemalige Kernzeit von 9.30 bis 14.30 Uhr abgeschafft: Erst in diesen Bereichen, als sogenanntes Pilotprojekt mit ein bis zwei Jahren Vorlauf, wie Personalleiter Ralf Sturm verrät, dann ab dem ersten Januar 2014 flächendeckend in der gesamten Verwaltung.

„In der Übergangsphase wurden alle Arbeitszeitkonten durch Freizeitausgleich oder finanzielle Abgeltung der Überstunden auf null gesetzt, damit jeder Mitarbeiter die gleichen Voraussetzungen hat“, sagt Sturm, der seit 2009 als Personalchef in Mulfingen tätig ist. Seitdem gilt die Regelung für rund 1000 Mitarbeiter am Unternehmenssitz. Vom anwesenheits- zum aufgaben- und ergebnisorientierten Modell, lautet die Devise. Die Gründe, die neben dem besseren Kundenservice eine Rolle bei der Einführung gespielt haben, waren laut Sturm einfachere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit sowie mehr Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern.

Im Gegensatz zur Verwaltung gilt die Flexibilisierung der Arbeitszeit für die Produktion momentan noch nicht. Das liege am Wechselschichtmodell und den Maschinenlaufzeiten, erklärt Sturm. „Was es gibt, sind Drei-, Vier- und Fünf-Tage-Wochen“, informiert er. Allerdings seien auch dort in Zukunft Flexibilisierungen wie Jobsharing – sprich Arbeitsplatzteilung – geplant. In diesem Zusammenhang wird auch Homeoffice, also das Arbeiten von zu Hause aus, in Bezug auf die Verwaltungsmitarbeiter diskutiert.

Motiviertere Mitarbeiter

So viel zur Theorie. In der Realität funktioniert die Arbeitszeitflexibilisierung so, dass es eine Mindestanwesenheitszeit von vier Stunden und einen Gleitzeitrahmen von 5 bis 22 Uhr gibt. In begründeten Ausnahmefällen sei sogar eine Anwesenheit von weniger als vier Stunden möglich, hebt Sturm hervor. Wenn ein Mitarbeiter morgens beispielsweise einen Arzttermin hat oder seine Kinder zur Schule bringen will, kann er seine Gleitzeit nutzen und später anfangen – oder auch mal bereits um 5 Uhr kommen, um wieder um 14 Uhr Feierabend zu machen und somit noch eine ganze Menge vom Tag zu haben.

Ein Vorteil der Gleitzeit aus Unternehmenssicht ist, dass private Angelegenheiten wie Behördengänge oder Routinebesuche beim Arzt nicht mehr während der Arbeitszeit erledigt werden und somit privat bleiben. Darüber hinaus spiegelt sich die Flexibilisierung in der Einstellung der Belegschaft wider, die viel entspannter und motivierter ist. Die Idee ist also, sich weg vom strengen Arbeitszeitkorsett 8 bis 17 Uhr hin zum selbstbestimmten Erledigen von Aufgaben zu entwickeln.

Erfasst wird die geleistete Zeit elektronisch, bis auf die Minute genau. Mehr als zehn Stunden pro Tag dürfen – wie im Arbeitszeitgesetz festgeschrieben – jedoch auch beim flexiblen Arbeitszeitmodell nicht gearbeitet werden. Plus- und Minusstunden werden auf einem Konto gespeichert und können zu jeder Zeit abgerufen werden. Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto wird mit Freizeit abgegolten – wann, ist jedem selbst überlassen, denn es gibt keine Frist.

Die Jüngeren nutzen die Flexibilität

Allerdings existieren sogenannte Ampelgrenzen. „Ab 120 Plus- und 60 Minusstunden befindet sich der Mitarbeiter im roten Bereich und ist zusammen mit seiner Führungskraft aufgefordert, dringendst Stunden abzubauen“, weiß Personalleiter Sturm. Was die Arbeitszeiterfassung betrifft, sei die minutiöse Stempelung nicht der Weisheit letzter Schluss, ist er überzeugt. „Wir sind dabei, uns mögliche Alternativen zu überlegen.“ Von der flexiblen Arbeitszeit machten vor allem jüngere Kollegen Gebrauch. Die meisten Älteren fingen jedoch weiterhin um 8 Uhr an und machten um 17 Uhr Feierabend, meint der Personalleiter des Weltmarktführers im Bereich Motoren und Ventilatoren.

Denn: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In Ausnahmesituationen könne es allerdings nützlich sein, dass man sich seine Arbeitszeit flexibel einteilen kann, so beispielsweise wenn jemand aus der Familie krank werde oder gepflegt werden müsse.
Was würde der Personalchef Ralf Sturm anderen Unternehmen, die ebenfalls planen, ihre Kernarbeitszeit abzuschaffen, raten? „Sich zu trauen, sich von einem starren, anwesenheitsorientierten Modell zu lösen, Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen, zu verstehen, dass man sich nicht von Kundenbedarfen abkoppeln sollte und flexibel zu sein.“

 

 

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