Martin Beims ist Gründer und Geschäftsführer von Aretas.

Martin Beims ist Gründer und Geschäftsführer von Aretas. (Bild: Aretas)

Herr Beims, wie sieht Ihrer Erfahrung nach im Maschinen- und Anlagenbau die Situation in punkto Veränderungsmanagement aus?

Der erste Punkt ist, dass in der Branche oft sehr langfristig gewachsene Strukturen existieren. Die Unternehmen bestehen meist schon seit vielen Jahren am gleichen Standort, sind familiengeführt, haben sich langfristig entwickelt und verfügen über relativ starre Strukturen und feste Hierarchien. Das heißt, Veränderung wird dort oft als Bedrohung wahrgenommen. Der zweite Punkt ist, dass Maschinen und deren Funktionen, also Stabilität und Effizienz, im Mittelpunkt stehen. Das heißt, jede Veränderung bedeutet ein Risiko für die Maschine und den Unternehmenserfolg. Der dritte Punkt ist, dass die Unternehmenskultur in der Regel auf Werterhalt ausgerichtet ist, auf Sicherheit und Kontinuität. Das heißt, Veränderung bedeutet auch immer Verunsicherung, weil sich plötzlich die sichere Umgebung verändert.

Es treffen also zwei Gegensätze aufeinander? Auf der einen Seite die sicherheitsbedürftigen Ingenieure und auf der anderen Seite die notwendige Veränderung?

Die Veränderung wird vor allem auch deshalb immer notwendiger, weil die Digitalisierung, die momentan durch alle Branchen geht, auch auf die produzierenden Unternehmen und damit auf die Maschinenbauer Auswirkungen hat. Es werden plötzlich ganz andere Vertriebswege und Geschäftsmodelle gefunden. Auch werden die bestehenden Kundenbeziehungen zukünftig auch im B2B Umfeld durch schnell wachsende Plattformökonomie indirekter werden. Deswegen kann man nicht mehr so verharren, wie es in der Vergangenheit möglich war. Diese langfristige Denke hat sehr zum Erfolg der mittelständischen Unternehmen beigetragen. Aber momentan verändert sich das Umfeld so sehr, dass da im Prinzip reagiert werden muss, wenn man auch in Zukunft erfolgreich sein will. Das ist ein Problem für viele dieser Unternehmen. Weil sie es nicht gewöhnt sind.

Wie können denn Führungskräfte aus dem Maschinen- und Anlagenbau mit der Veränderung konstruktiv umgehen?

Wenn ich Veränderungen in einem Umfeld, in dem Veränderungen bisher nicht zum Alltag gehörten, zum Erfolg führen möchte, ist es aus meiner Sicht das Allerwichtigste, dem Team Vertrauen zu schenken und echte Verantwortung zu übertragen. Wenn ein Mitarbeiter etwas Neues machen soll, dann lässt ihn nichts so großes Vertrauen entwickeln, wie ihm ernsthaft übertragene Verantwortung. Wer immer nur Befehle ausführt, der wird niemals innovativ sein können. Denn wenn die Mitarbeiter ständig nur mit Befehl und Gehorsam geführt werden, werden sie  ihre Innovationskraft vermutlich darauf verwenden, sich kleine Freiräume zu schaffen. Also muss ich weg von starren Hierarchieketten, hin zu horizontaler, fachübergreifender Vernetzung der Mitarbeiter auf Augenhöhe.

Das heißt, wir müssen mehr in die dezentrale Entscheidungsfindung gehen, Teams mit einbeziehen und ihnen Gestaltungsraum geben?

Ja, wenn ich klassische Hierarchien beibehalten möchte, müssen die Entscheidungen weiter in den unteren Ebenen getroffen werden, also dort, wo die Ideen entstehen und die Ergebnisse geschaffen werden. Es wird immer Innovationen hemmen, wenn jede Investition, jede kleine Veränderung der Arbeitsabläufe erst durch drei Hierarchiestufen zur Genehmigung laufen muss. Das kostet Zeit und Motivation der Mitarbeiter. Wenn ich weiß, dass alles, was ich an Ideen einbringe, ohnehin spätestens beim dritten Vorgesetzten verworfen wird, mache ich irgendwann keine Vorschläge mehr. Und noch schlimmer: auch keine Gedanken mehr, wie das Unternehmen erfolgreicher werden kann.

Die Geschäftsführung würde also beispielsweise sagen: „Wir wollen unsere Maschinen modularer anbieten und flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Bitte macht euch Gedanken, wie ein solches Portfolio aussehen könnte.“?

Ja, gerade modularer und flexibler auf Kundenanforderungen zu reagieren ist bei den Kunden der Maschinenbauer, also den produzierenden Unternehmen, gerade ein ganz großes Thema. Das große Schlagwort lautet Losgröße 1. Das heißt ja nicht nur, dass ich mein Produktionsverfahren ändern muss, ich brauche möglicherweise einen ganz anderen Produktionsablauf. Beteiligte Mitarbeiter werden neue Fähigkeiten erlernen und Maschinen müssen veränderten Anforderungen gerecht werden.

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