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Mit der Eisenbahnübung haben Geschäftsführer Ralph Engel (2. v. li.) und sein Team die Bewegungsabläufe des Nordic Walkings trainiert. (Bild: Angela Unger)

Unternehmen, in denen Chef und Mitarbeiter in der Mittagspause gemeinsam Sport treiben, sind selten. Dabei profitieren das Betriebsklima, die Mitarbeiterbindung und die Gesundheit davon, wie das Beispiel von EKS Engel zeigt.

Fährt man von Köln die A4 in Richtung Olpe entlang, arbeitet sich das Auto Kilometer um Kilometer in ein Stück ursprüngliche, unverfälschte Natur vor. Wo die Täler sich links und rechts der Autobahn am tiefsten absenken, im März ein herb-brauner Wald die Hügelkappen malerisch bedeckt und die frisch-klare Luft das Atmen ganz leicht werden lässt, liegt das Sauerland, oder besser gesagt: der Wendener Ortsteil Hillmicke. Wer hier Ralph Engel, den Geschäftsführer von EKS Engel, und seine Mitarbeiter besucht, spürt eine unaufgeregte, vertrauensvolle Atmosphäre. Berührungsängste gibt es keine, trotzdem gehen alle respektvoll miteinander um. Genauso selbstverständlich startet fast der ganze Betrieb einmal die Woche zum gemeinsamen Nordic Walking in der Mittagspause, Chef inklusive.

High-Tech-Produkte im Herzen der Natur

Was woanders vielleicht unter Marotte der Personalabteilung firmieren würde, gehört im Sauerland, wo die Menschen eng mit der Natur verwoben sind, und dennoch High-Tech-Produkte schaffen, dazu. Deshalb hat Chef Ralph Engel für das Nordic Walking extra Stöcke angeschafft, die an den jeweiligen Mitarbeiter angepasst sind. Und er stellt seine Belegschaft für die halbe Stunde bezahlt frei. Pünktlich montags um Viertel vor zwölf stürzen sich die Hillmicker in ihre Sportschuhe, die im Erdgeschoss auf Schuhständern ihrer Benutzung harren, stülpen sich bei Bedarf die Regenjacken mit dem EKS-Engel-Logo über und versammeln sich im Kreis vor dem Betriebsgebäude. Dort wärmen sie ihre Körper mit einigen gymnastischen Übungen auf und marschieren dann im flotten Tempo hügelaufwärts durch das Dorf, wobei Arme und Beine bilderbuchartig entgegenarbeiten.

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Physiotherapeutin Dorothee Huperz und Julia Nicklas von EKS Engel zeigen Lockerungsübungen zum Nachmachen: Mit ausgestreckten Armen die Handflächen gegen die Tischkante drücken. Dann wieder lockern. Foto: Angela Unger

Kein Hausfrauensport

Was wie bei Profis aussieht, mussten sich die Hillmicker erst erarbeiten. „Man muss am Anfang wirklich lernen, die Bewegungen zu koordinieren“, sagt Geschäftsführer Ralph Engel. „Das Nordic Walking sieht leicht aus. Es gibt aber eine bestimmte Abfolge von Bewegungen, die man einhalten muss.“ Aber das Training mit einer Physiotherapeutin hat sich ausgezahlt, nicht nur in sportlicher Hinsicht. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Stimmung geändert hat“, beschreibt Julia Nicklas, bei EKS Engel zuständig für das Marketing, die Vorzüge. „Das Gefühl, dass man sich nochmal zusammenreißen muss, schweißt zusammen. Und wir haben immer Spaß zusammen, wenn wir an der frischen Luft zusammen sind und nachher gemeinsam essen.“ Deshalb ist allen der Termin ans Herz gewachsen. Selbst die Kunden sind immer wieder beeindruckt, wenn die Hillmicker sagen: „Montags geht es nicht, weil wir Nordic Walking machen.“

Ein Ergonomieprojekt

Doch wie kommt ein Spezialist für Elektroniksysteme und Kommunikationsbausteine für die Datenübertragung mit Lichtwellenleitern auf die Idee, dass alle, angefangen vom Chef, bis hin zum Ingenieur, gemeinsam mittags Sport treiben? Entstanden ist sie während eines ergonomischen Projekts, das die Niederfischbacher Physiotherapeutin Petra Einloft, die über eine Zusatzausbildung zur ergonomischen Arbeitsplatzberaterin verfügt, ab dem Herbst 2008 auf Wunsch des Geschäftsführers engagiert in die Hand nahm.

Wertschätzung vom Chef motiviert Menschen

„Es gibt viele Patienten, die ihre Probleme durch ihren Arbeitsplatz bekommen haben“, sagt Petra Einloft. „Mein Steckenpferd ist zu schauen, was die Menschen mit sich selbst am Arbeitsplatz machen.“ Dabei liegt ihr Hauptaugenmerk darauf, was man mit den gegebenen Mitteln tun kann, damit der Mensch sich selbst nicht schadet. Nach ihrer Erfahrung wagen Chefs aus Angst vor einem großen finanziellen Aufwand oft nicht den Schritt zum Umsetzen von ergonomischen Maßnahmen am Arbeitsplatz. Und irren sich damit. Am Anfang betreute Einloft ein- bis zweimal die Woche die Mitarbeiter von EKS Engel vor Ort. Kostenpunkt für ein halbes Jahr: das durchschnittliche Monatsgehalt eines Mitarbeiters. „Aber wenn die dann nicht krank werden, zahlt sich das für das Unternehmen aus.“ Auch aus einem weiteren Grund profitieren Unternehmen von dem Einsatz: „Die Mitarbeiter waren sehr angetan, dass der Chef für Sie etwas tun wollte“, schildert Einloft. „Man hat deutlich gemerkt, dass die Mitarbeiter eine Wertschätzung erfahren haben. Allein das macht schon ganz viel für die Leistungsbereitschaft aus.“ In einem einstündigen Kurzseminar erklärte Einloft, was man unter einer Belastung für den Körper versteht, wie die Arbeitsmaterialen am Arbeitsplatz angeordnet sein sollten, und wann die feinmotorischen Arbeiten zu Verkrampfungen führen. Später fotografierte sie die gewohnheitsmäßigen Haltungen der einzelnen Mitarbeiter und arbeitete konkrete Verbesserungsempfehlungen aus. Ralph Engel bekam eine Gesamtdokumentation ausgehändigt, in der sie beispielsweise Dokumentenhalter zum Schreiben über der Tastatur empfahl. Mit kurzen Zwischenübungen, die den Arbeitsablauf nicht stören, aber die Muskulatur durchbluten und die Konzentrationsfähigkeit stärken, und die Fehlerquellen reduziert, trainierte die Physiotherapeutin den Mitarbeitern ein neues Verhalten an. Anfangs rief sie zu den Gemeinschaftsübungen, die sie an die Wand gepinnt hatte, per Glöckchen oder Hupe. Auch ein fiktiver Bildschirmhund spornte alle in regelmäßigen Abständen zu den Lockerungsübungen an. „Wichtig ist, dass man überhaupt was macht. Die Muskulatur ist auch ein Arbeitnehmer“, sagt sie.

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Lockerungsübung für die Mittagspause: Arme ausstrecken und Nacken lang machen. Dann Kopf auf eine Seite legen und etwa 30 Sekunden dehnen. Die Hände schieben dabei nach unten. Dann Kopf in die Mitte und danach zur anderen Seite. Bild: Angela Unger

Viel Vorhandenes genutzt

Und die Materialkosten? „Viele sitzen erst mal so, wie sich der Architekt das gedacht hat“, so Julia Nicklas. „Deshalb mussten wir in einigen Büros die Tische so umbauen, dass man richtig zum Fenster sitzt.“ Angeschafft hat das Unternehmen dann noch Headsets zum Telefonieren und Monitorständer. Die Ablagemöglichkeiten an den Tischen wurden verändert, um den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen zu ermöglichen. Jeder Mitarbeiter hat einen eigenen Stuhl bekommen, der auf seine Körpergröße eingestellt ist, die Tischbeine kann man verstellen und die Lampen passen sich dem Tageslicht an. „Das einzige, was man selbst noch machen muss, ist, sich an die Übungen zu erinnern“, resümiert Nicklas. „Aber das ist ja auch eine teambildende Maßnahme.“

Mehr als immer nur Standard

Neue, die zu der inzwischen eingeschworenen Mannschaft dazustoßen, überrascht Ralph Engel mit den ungewöhnlichen Möglichkeiten. Beim Vorstellungsgespräch weist er darauf hin, dass es einige Pflichtveranstaltungen gibt. Das sind die Weihnachtsfeier, das Schützenfest – und der Betriebssport. „Sie müssen sich nur noch entscheiden, ob Sie Nordic Walking oder Pilates machen wollen“, verblüfft er sein Gegenüber dann. Trotzdem wird natürlich niemand gezwungen. Wer nicht will, muss nicht mitmachen. Doch nahezu alle nehmen das Angebot dankbar an. „Die Leute rechnen nicht damit, dass man so etwas auch gemeinsam machen kann“, so Engel.

Dabei spielen solche Angebote für die Mitarbeiterbindung eine wichtige Rolle. „Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man: Wir sind hier mitten auf dem Land, ohne eine Großstadt, die auf junge Leute attraktiv wirkt, in der Nähe“, sagt Engel. Wer jetzt denkt, die Hillmicker seien schon ein bisschen anders als andere, liegt damit richtig. „Ja, das sind wir. Wir sind positiv verrückt“, gibt Ralph Engel selbstbewusst zu. „Das zeichnet uns auch aus, dass wir immer wieder versuchen, das Normale zu durchbrechen. Man muss nicht immer nur Standard sein, man darf manchmal einfach auch mal drüber liegen.“ Wie wahr – Standard gibt es ohnehin schon zur Genüge. Was fehlt, sind Mutige, wie EKS Engel, die Neues einfach mal probieren.

 Autorin: Angela Unger, Redaktion

Fünf Fragen an Ralph Engel, EKS Engel

Herr Engel, Ihre Idee ist ja nicht ganz gewöhnlich. Wie haben die Menschen in der Umgebung reagiert, als Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern durchs Dorf gewalkt sind?

Am Anfang sind wir im Ort ziemlich belächelt worden. Auch, weil auf den Regenjacken rückseitig das EKS-Logo prangt, und da gucken die Leute erst recht. Aber inzwischen haben sich alle daran gewöhnt und finden es ganz normal.

Ralph Engel

Ralph Engel, Geschäftsführer von EKS Engel.

Stand denn die Idee, zusammen in der Mittagspause Nordic Walking zu betreiben, von Anfang an im Raum?

Nein, zuerst wollten wir nur die Arbeitsplätze optimal ergonomisch gestalten, inklusive kurzer Lockerungsübungen vor dem PC. Irgendwann ist unsere Physiotherapeutin und ergonomische Arbeitsplatzberaterin Petra Einloft gekommen und hat gefragt, ob wir nicht eine aktive Mittagspausensportgruppe gründen wollen. Anfangs konnte ich mir das zwar nicht vorstellen, aber ich dachte mir, wir können ja mal ausprobieren, wie viele Leute mitmachen.

Die sportliche halbe Stunde wird den Mitarbeitern bezahlt. Was bringt es dem Unternehmen?

Man darf den Mehrwert der bezahlten Arbeitszeit nicht unterschätzen, weil ohnehin jeder zu Hause genug zu tun hat. Die Leute freuen sich, dass es auch in kleineren Unternehmen solche Angebote gibt. Wir haben dadurch immer wieder Leute überzeugen können, hier zu bleiben oder hier anzufangen.

Also stand für Sie nicht nur der Gesundheitsaspekt im Vordergrund?

Ich will den Gesundheitsaspekt nicht vernachlässigen, aber der Einzelne geht wegen des Miteinanders mit. Weil es Spaß macht. Es geht wirklich um das Miteinander.

Was würden Sie jemanden aus der Branche, der nach dem Mehrwert fragt, sagen?

Wir haben durch den Sport eine gute Teambildung, weil man über den Tellerrand schauen kann und weil es nicht nur heißt: Morgens einstempeln, den ganzen Tag über seinen Job machen, abends ausstempeln und dann nach Hause gehen. Es geht auch um das Miteinander, darum, mal was anderes miteinander zu unternehmen.

Die Fragen stellte Angela Unger

 

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