Dr. Thomas Wendel
„Ausländische Fachkräfte kommen in ländliche Räume und möchten dann nicht noch einmal mit der ganzen Familie umziehen.“ Dr. Thomas Wendel. (Bild: Wendel)

Kommen Sie denn so weit, dass Sie Ihren Kunden die ausländischen Ingenieure überhaupt vorstellen können? Oder wiegeln die Unternehmen von vornherein ab?

Es gibt natürlich auch flexible Firmen. Das sind dann unsere Kunden. Ich finde es richtig schade, dass wir viel mehr Firmen helfen könnten, wenn sie auf die Deutschtümelei verzichten würden. Unsere Prozesse laufen aber meistens mit anglophonen Fachkräften. Danach helfen wir unseren Kunden häufig, das Deutschlernen für diesen Mitarbeiter zu organisieren.

In ländlichen Räumen gibt es zwar nicht so viele Schulen, aber relativ preiswerte Lehrer. Und die Fachkräfte sind auch sehr motiviert, die Sprache zu lernen, weil sie ins Land einwandern wollen. Aber selbst bei bester Motivation dauert es ein Jahr, bis man ein verkehrsfähiges Deutsch spricht. Vor allem, wenn man es berufsbegleitend lernt.

Was kritisieren Sie am Recruiting-Prozess?

Man kann sagen: Deutsche Personaler sind zu langsam und sie achten zu sehr auf Formalien. Die Wichtigkeit der Formalien beruht auf unserem deutschen Qualitätsverständnis und ist auch das Geheimnis hinter der Produktion von hochqualitativen Anlagen und Autos. Aber man muss sich überlegen, ob das beim Recruiting angebracht ist. Nirgendwo macht man so einen Hype um die äußere Form. Im angelsächsischen Raum möchte man beispielsweise nicht mehr als eine Bewerbungsseite sehen.

Zum Teil ist es sogar verboten, sich mit Foto zu bewerben. In Deutschland führen schon formale Fehler häufig zur Absage. Dabei hat es ja nichts mit der Qualifikation als Ingenieur zu tun, ob jemand ohne Kommafehler schreiben kann oder den schönsten Lebenslauf designt. Aus diesem Anspruch, der eigentlich veraltet ist, kommen unsere Personaler teilweise nicht raus. Sie müssten stattdessen lernen, dass die Bewerber aus dem Ausland nicht schlechter sind, sondern nur anders.

Der andere Aspekt ist die Dauer des Rekrutierungsprozesses. Diese Langsamkeit beruht aber auch auf dem Personalmangel. In den jeweiligen Fachabteilungen sind die Leute überlastet, und wenn der Kunde schreit, hat natürlich das Recruiting die geringste Priorität. Deswegen kommt das Feedback an die Personaler zu spät. Und jeder Prozessschritt dauert zu lange: Zuerst das Feedback, ob der Lebenslauf gut ist, danach das Ansetzen des ersten Skype-Interviews, genauso das Live-Gespräch und zuletzt die Entscheidung. Dabei gilt: Wenn man einen sehr interessanten Kandidaten identifiziert hat, muss man schnell zugreifen, sonst ist er weg. Wir kämpfen ja global um die besten Köpfe. Die wollen nicht alle nur nach Deutschland.

Haben Sie es schon erlebt, dass ein ausländischer Ingenieur von anderen weggenommen wurde, weil der Prozess zu schleppend ging?

Ja, die werden einfach abgeworben. Nicht nur wir haben den Mangel, sondern auch belgische, holländische und britische Unternehmen haben ihn. Und gerade die Briten sind im Headhunting sehr entwickelt. Da werden wir uns noch hin entwickeln müssen.

Wie sehen das denn die hochqualifizieren Kandidaten, wenn der Bewerbungsprozess so lange dauert?

Man muss aufpassen, dass die Kandidaten so einen langwierigen Prozess nicht falsch verstehen. Gerade wenn man aus einer dynamischen, flexiblen Umgebung kommt, kann man sich nicht vorstellen, warum das so lange dauert. Und dann interpretiert man das falsch. Man fragt sich, ob man vielleicht nur dritte Wahl war und fühlt sich nicht so willkommen. Oder man denkt, dass das Unternehmen sich nicht sicher ist, ob sie einen wollen.

Das ist natürlich fatal. Denn man sollte bedenken, dass eine Auswanderung eine große Veränderung im Leben ist, gerade, wenn man seine Familie mitnimmt, und womöglich aus einem Land kommt, in dem man nicht so einfach wieder eine Arbeitsstelle bekommt, wenn es in Deutschland schief geht.

Da braucht man sehr viel mehr Vertrauen in einen künftigen Arbeitgeber als bei einem normalen inländichen Rekrutierungsprozess. Diese Langsamkeit ist für Süd- und Osteuropäer auch nicht zu verstehen. Das sind ja auch Völker, die nicht lange im Voraus planen. Wenn man denen sagt: „In drei bis sechs Monaten könnten Sie hier sein“, dann sagen die: „Wer weiß, ob ich dann noch lebe.“

Über tw.con


Die von Dr. Thomas Wendel gegründete und in Bergisch Gladbach ansässige Personalvermittlung tw.con (www.twcon.de) vermittelt hochqualifizierte Mitarbeiter aus dem EU-Ausland, vornehmlich Ingenieure, IT-Spezialisten und Ärzte, für unbefristete Stellen nach Deutschland. Außerdem vermittelt tw.con Personal für Niederlassungen in Rumänien.

 

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