Das Wissen um notwendige Kompetenzen und deren Ausprägungsgrade für eine Arbeitsstelle ermöglicht:

  • eine passgenaue Besetzung von Arbeitsplätzen, um etwa bei Änderungen in Prozessen, Kundenanforderungen oder Produktlinien einen Aufbau neuer fachlicher Kompetenzen oder die Entwicklung bestehender Kompetenzen zielorientiert umsetzen zu können.
  • die Einführung und Pflege eines gültigen Kompetenzmessungs- und Bewertungsstandards in einem Unternehmen beziehungsweise einer Organisation, die es auch ermöglicht beispielsweise über Standorte weltweit mit unterschiedlichen Reifegraden hinweg Wirkung zu entfalten. Davon profitieren Kunden (Produkt- und Servicequalität) und Mitarbeiter (Arbeitsschutz, Arbeitsplatzzufriedenheit, Karrieremöglichkeiten) gleichermaßen.

Beispiel: T-Systems

T-Systems International lässt seine Service-Manager weltweit nach einem internationalen Kompetenzprofil zertifizieren, das auf Basis deutscher Anforderungen entwickelt wurde und von TÜV Rheinland in verschiedenen Prüfungsmodellen abgeprüft wird. So ist sichergestellt, dass der Mobilfunkspezialist standortunabhängig stets gleichbleibende Service-Management-Level bieten kann.

  • die passgenaue Weiterbildung und Qualifizierung entlang der Unternehmensstrategie und entsprechend der festgelegten Ziele wie zum Beispiel einer Steigerung von Effizienz oder Qualität von Services oder Produkten. Dabei kann die Kompetenzentwicklung auch die umfassende Weiterentwicklung der Fachkompetenz umfassen, um einheitliche Standards in unterschiedlichen Wertschöpfungsbereichen sicher zu stellen.

Beispiel: Saudi Aramco

Die derzeit größte Erdölfördergesellschaft der Welt, Saudi Aramco, ist darum bemüht, einheitliche Kompetenzprofile für interne wie externe Mitarbeiter anzuwenden. Vor diesem Hintergrund wurden für die Bereiche wie Elektrotechnik, Mechanische Instandhaltung oder Metallbearbeitung Mindeststandards entwickelt. Diese sollen sicherstellen, dass auch alle externen Mitarbeiter und Kontraktoren einem einheitlichen Qualifikationsprofil in den jeweiligen technischen Bereichen entsprechen. Gemäß dieser Kompetenzanforderungen hat TÜV Rheinland Prüfungssysteme entwickelt und umgesetzt, die die individuellen theoretischen und insbesondere praktischen Kompetenzen messen und bewerten. Auf Basis der Erhebung ließ sich der individuelle Qualifizierungsbedarf feststellen und anschließend mit entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen realisieren.

Die psychosoziale Komponente

Hier kommen wir zur psychosozialen Komponente des professionellen Managements von Kompetenzen in Unternehmen, die nicht zu unterschätzen ist. Arbeitsunfähigkeit oder Burnouts, also die Überforderung am Arbeitsplatz, muss nicht von permanenter quantitativer Überlastung herrühren, sondern kann auch auf mangelnde Qualifikation am Arbeitsplatz zurückzuführen sein. Mit systematischem Kompetenzmanagement lassen sich Kompetenzlücken aktiv identifizieren - und gezielt schließen, etwa über Auffrischungstrainings im Bereich fachlicher Kompetenzen oder durch Coachings am Arbeitsplatz. Der Mitarbeiter wird selbstbestimmter, sicherer und letztlich zufriedener in der Bewältigung seiner täglichen Aufgaben. Dadurch sichert der Unternehmer den Erhalt der Arbeitsfähigkeit.

Offene Lernräume und alle Macht den Lernenden

Berufliche Bildung bedeutet in der Kompetenzgesellschaft, dass sie die Fähigkeiten der Mitarbeiter zum selbstorganisierten und kreativen Lernen stärken und mit der Seminarunkultur brechen muss. Bildungsangebote müssen künftig darauf abzielen, dass Mitarbeiter dazu befähigt werden, Herausforderungen mit ihren ständig verfeinerten Kompetenzen künftig ebenfalls selbstorganisiert zu bewältigen. Kompetenzlernen lässt sich aber nicht mehr ausschließlich in Curricula vorgeben, sondern muss auch durch offene Lern- und Experimentierräume ermöglicht werden. Die Lernenden definieren darin selbst oder mit Hilfe externer oder interner Lernpartner und Coaches ihre Kompetenzziele.

Was bedeutet das für die Anbieter beruflicher Bildung und Personalentwickler? Sie müssen die Gestaltung von offenen Lernräumen oder frei wählbaren Lernwegen fördern und die idealerweise selbstinitiierten Bildungsprozesse ermöglichen sowie die Lernbegleitung über professionelle, zeitgemäße Lernplattformen sicherstellen. Es gilt das Leitmotiv: „Alle Macht den Lernenden“, die ihre Lernprozesse eigenverantwortlich organisieren.

Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Didaktik, denn es sind auch nicht mehr Lehrer oder Trainer, sondern die Lernpartner im Team oder Coaches, die eine Ermöglichungsdidaktik für selbstorganisiertes Lernen zulassen und ermöglichen. Methoden und Inhalte orientieren sich dabei zunehmend an den realen Herausforderungen der Teams in ihrer Arbeit. Der enge Bezug zu realen Aufgaben sorgt, wie John Erpenbeck und Werner Sauter es treffend formulieren, für „eine emotionale Imprägnierung des Wissens durch Begeisterung, Leidenschaft, Engagement, Willen, Interesse, Neugier, Wissbegierde, Entdeckergeist und Phantasie“. Seminare werden durch selbstorganisierte Lernformen in Blended Learning Arrangements, anwendungsnahem Lernen und kollaborativem Lernen in Projekten und am Arbeitsplatz, Social Work-Place Learning sinnvoll ergänzt.

So gelebt, kann Kompetenzmanagement gleich mehrfach einen wichtigen Beitrag leisten: zur Zukunftssicherung der Organisation, zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, zum Schutz vor technologischer Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt zur individuellen Karriereplanung und persönlichen Zufriedenheit. jl

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