Schunk Co-act EGL-C,

Der neue Schunk Co-act EGL-C ist der weltweit erste Großhubgreifer für kollaborierende Anwendungen. Er kann Werkstücke bis acht Kilogramm (formschlüssig) handhaben, bietet einen Hub von 42,5 mm pro Finger sowie eine Greifkraft bis 450 N. (Bild: Schunk)

Roboter müssen nicht immer direkt mit den Menschen kooperieren. Aber wenn sie es tun, dann dort, wo man die Stärken von Mensch und Maschine sinnvoll kombinieren kann, wo beide ihre Stärken ausspielen können. Unter diesem Blickwinkel gibt es unterschiedliche Aufgaben, die Cobots übernehmen können. Zum einen sind das sich ständig wiederholende, langweilige Aufgaben oder solche, die eine höhere Präzision und Wiederholgenauigkeit erforden. Pick&Place zum Beispiel, oder Schraubmontage. Man denkt hier schnell an kleine Bauteile, Platinen etwa, und an Montagearbeitsplätze. Es gibt allerdings auch auch Szenarien, bei denen ein anderer Aspekt im Vordergrund steht: die Ergonomie.

Hannover Messe 2019 Weltneuheit! Flexibler Cobot-Greifer von Schunk - Quelle: next Robotics

Next Robotics by ke NEXT, der Youtube-Kanal rund um die professionelle Robotik, berichtete bereits im Vorfeld der Hannover Messe 2019 über Schunks neuen Großhubgreifer.

Greifer,
Die Greifer lassen sich bei Schunk anwendungsspezifisch auch per 3D-Druck herstellen. Neben der zum Werkstück passenden Ausformung der Innenseite sind bei Cobots abgerundete Kanten außen wichtig. (Bild: Schunk)

Denn in der Industrie, aber auch in anderen Gewerbebereichen oder im Handwerk, gibt es Tätigkeiten, die gerade so an der Grenze der körperlichen Belastungsgrenze der Mitarbeiter rangieren. Denken Sie an ein Bauteil mit etwa zwei Kilogramm Gewicht – etwas, das die meisten Menschen problemlos händeln können. Wenn nun aber ein solches Gewicht den ganzen Tag wieder und wieder bewegt werden muss, jede Minute, acht Stunden lang, dann kann das auch bei gut trainierten Menschen auf die Knochen gehen.

Modell Co-act EGP-C,
Der kleine Bruder: Das kompaktere Modell Co-act EGP-C wurde als erster Industriegreifer von der DGUV für den kollaborierenden Betrieb zertifiziert und zugelassen. (Bild: Schunk)

Für schwerere Bauteile gibt es Hebehilfen und Krane, aber für kleinere Bauteile sind die oft zu platzfressend und umständlich. Hier kommt der Cobot ins Spiel. Ein Roboter, der die Werkstücke vom Förderband holt, sie auf dem Arbeitsplatz ablegt und – hier kommt der kollaborative Teil – sogar das Gewicht trägt, während der Werker mit seiner Feinmotorik die knifflige Aufgabe übernimmt, das Bauteil in die Passung zu bugsieren – das wäre eine passende Aufgabe, um den Menschen zu entlasten.

Die Roboter sind dafür gut gerüstet. Die Traglasten aktueller Leichtbauroboter gehen hinauf bis zehn oder fünfzehn Kilogramm. Das Problem bei dieser im Grunde idealen Lösung: die Endeffektoren. Denn um derart schwere Bauteile sicher zu bewegen, muss ein Greifer schon fest zupacken. Gleichzeitig darf die Greifkraft nach der Norm nicht über 140 Newton liegen, damit bei der Quetschung von Fingern keine ernsten Verletzungen entstehen können. Was also tun?

Ein Greifer mit Kraftzonen

Schunk hat sich des Problems angenommen und bietet mit dem Co-act EGL-C den nach eigenen Angaben weltweit ersten für den kollaborierenden Betrieb entwickelten Großhubgreifer mit hohen Greifkräften. Der Hub beträgt bei dem neuen, auf 24 Volt ausgelegten und damit für den Mobilbetrieb geeigneten Gerät 42,5 Millimeter pro Finger, und die Greifkräfte gehen hoch bis 450 Newton. Damit lassen sich Werkstückgewichte bei kraftschlüssigem Greifen bis 2,25 Kilogramm und bei formschlüssigem Greifen sogar bis acht Kilogramm handhaben, was das Potenzial der Mensch-Roboter-Kollaboration erstmals für Handlinggewichte jenseits der Kleinteilemontage öffnet. Ein wichtiger Punkt: Der neue Greifer befindet sich gerade in der Zertifizierung und soll bis zur Markteinführung Ende 2019 von der DGUV für die Mensch-Roboter-Kollaboration zugelassen sein.

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Teaserbild Robotik

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Da stellt sich die Frage: Wie schafft es Schunk, die Quetschzonen normgerecht abzusichern? Denn während die wirkende Greifkraft bei den bislang DGUV-zertifizierten Schunk-Greifern auf normgerechte 140 Newton pro Finger begrenzt war, stößt der auf der Hannover Messe 2019 erstmals öffentlich vorgestellte Co-act EGL-C mit seinen 450 Newton in eine neue Region vor. Um trotz der hohen Greifkraft die in der ISO/TS 15066 definierten biomechanischen Grenzwerte einzuhalten, ist der neue Greifer mit einer kombinierten Kraft- und Wegmessung ausgestattet: In die Grundbacken integrierte Kraftmesseinheiten sowie Inkrementalgeber überwachen permanent die jeweilige Greifkraft sowie die Position der Greiferfinger. Die auf dem Greifer abgelegte Greifprozedur wiederum ist in mehrere Phasen unterteilt: Bis zu einer Distanz von vier Millimetern zum geteachten Werkstück, deutlich weniger als die Dicke eines Fingers also, ist die Greifkraft auf nur 30 Newton begrenzt.

Greifer 4,
Bis zu einer Distanz von vier Millimetern zum Werkstück, weniger als die Dicke eines Fingers, ist die Greifkraft auf 30 Newton begrenzt. Erst dann geht der Greifer auf die vollen 450 Newton. (Bild: Schunk)

Kommt es in dieser Annäherungsphase zu einer Kollision, etwa mit der Hand des Bedieners, geht der Greifer sofort in den sicheren Halt, ohne dass die Gefahr einer Verletzung besteht. Der Greifer kann hier auch manuell bewegt werden, sodass sich ein Werker selber befreien kann. Erst in der zweiten Phase, also bei einer Werkstückdistanz kleiner als vier Millimeter, fahren die Finger mit der frei definierbaren Maximalkraft von bis zu 450 Newton zu. Misst das System in dieser Schließphase eine Nachgiebigkeit, etwa weil ein zu kleines Werkstück gegriffen wird, das der Bediener gerade per Hand entfernen will, stoppt auch diese Bewegung automatisch. Gleiches gilt, wenn die erwarteten Werkstückmaße um zwei Millimeter über- oder auch unterschritten werden, weil beispielsweise kein Teil vorhanden ist.

In der dritten Phase detektiert der Greifer, ob das Teil sicher gegriffen ist, und aktiviert die integrierte Greifkrafterhaltung, indem die Bremse verspannt wird. So kann das gegriffene Teil auch bei einem Not-Aus nicht verloren gehen. Zudem ist bei einem Stromausfall keine erneute Referenzierung erforderlich.

MRK mit Schunk: „Die Anwender sind sehr neugierig!"

Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung von Greifern für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK)? Auf was achten die Anwender? ke NEXT sprach mit dem Geschäftsführer Forschung und Entwicklung bei Schunk über Sicherheit bei Cobot-Greifern.

Ihre Greifer sind von der DGUV für den MRK-Betrieb zertifiziert. Auch der neue Großhubgreifer ist derzeit in der Zertifizierung. Weshalb ist Ihnen die Zertifizierung der einzelnen Komponente so wichtig, wenn doch in der Praxis die Anlage als Ganzes für den kollaborativen Betrieb zertifiziert werden muss?

In der aktuellen Phase setzen sich sehr viele Anwender mit dem Thema MRK auseinander, wobei bislang noch relativ wenige Applikationen im produktiven betrieblichen Umfeld realisiert sind. Das Thema ist für alle Beteiligten, sprich für die Hersteller von Robotern, End-of-Arm-Tools und Sensoren, für die Anwender, aber auch für die DGUV, vergleichsweise neu. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Weg zur Zertifizierung mitunter ziemlich herausfordernd sein kann, vor allem bei den ersten Applikationen ohne Erfahrungswerte. Genau hier setzen wir an: Zum einen begleiten wir Anwender mit dem interdisziplinären Know-how unseres Co-act-Teams, zum anderen minimieren unsere zertifizierten Komponenten den Aufwand bei der Zertifizierung des Gesamtsystems.

Warum ist der Prozess der Zertifizierung so aufwendig?

Damit die DGUV eine komplette Anlage für den MRK-Betrieb zertifiziert, muss sicher nachgewiesen sein, dass der Bediener bei einem Kontakt nicht verletzt wird. Hier greifen die Schutzprinzipien der DIN EN ISO 10218-1/-2 und DIN EN ISO/TS 15066 sowie die Maschinenrichtlinie, die vorschreibt, dass stets die Gefahr für den Menschen zu betrachten und die damit verbundenen Risiken zu bewerten sind. Es gilt also sehr präzise zu analysieren: Welche Arbeitsräume existieren? Welche Risiken bestehen? Wo müssen Arbeitsräume eingeschränkt werden, um Verletzungen auszuschließen? Das geht nur, indem jede Applikation individuell betrachtet wird: die einzelnen Komponenten, die Aufgabe, die Werkstücke, die Sicherungssysteme. Das braucht einfach Zeit und eine besondere Sorgfalt.

Gibt es besondere Sicherheitsbedenken oder Ängste in Bezug auf die Greifer für MRK-Anwendungen?

Bislang haben wir es noch nicht erlebt, dass Greifer für kollaborative Anwendungen größere Ängste bei Anwendern erzeugen. Vielmehr dominieren Neugierde und Begeisterung – vor allem, wenn es sich um intelligente Systeme wie die Schunk-Greifer Co-act JL1 oder den neuen EGL-C handelt. Menschen begegnen diesen Systemen spielerisch: Sie testen intuitiv aus, wann die Sicherheitstechnologien anspringen und wie sich das System verhält. Damit gewinnen sie Vertrauen und können eventuelle Berührungsängste schnell abbauen.

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Sicherer und robuster Cobot-Greifer

Einfache Bedienung und Installation ist bei Cobots im Grunde Pflicht. Daher wird der neue Großhubgreifer komplett vormontiert geliefert. Zudem wird er mit den passenden Schnittstellen für MRK-Roboter von Kuka, Yaskawa, Fanuc, Universal Robots und Nachi erhältlich sein – mehr auf Nachfrage. Ein Inbetriebnahme­assistent vereinfacht die Programmierung. Wie in Zeiten von Industrie 4.0 zu erwarten, ermöglicht eine Diagnoseschnittstelle im laufenden Betrieb den Zugriff auf die wichtigsten Prozess- und Statusdaten des Greifers. Über eine LED-Leiste in Ampelfarben lässt sich der Zustand des Moduls signalisieren. Die integrierte Recheneinheit des Co-act EGL-C sorgt nicht nur für die intelligenten Sicherheitsfunktionen, sie ermöglicht auch eine standesgemäße Kommunikation über Profinet, Ethercat, EtherNet/IP, Modbus/TCP oder TCP/IP. Stabile Führungen und ein bürstenloser Servomotor gewährleisten zudem eine hohe Robustheit. Erste Pilotapplikationen für den neuen kräftigen Greifer gibt es in der Automotive-Industrie. Doch wenn man sieht, in wie vielen neuen Szenarien, auch außerhalb der Industrie, Cobots eingesetzt werden, würde es uns nicht wundern, das Kraftpaket auch anderwo anzutreffen. Wir halten die Augen offen.

Die integrierte Recheneinheit des Co-act EGL-C sorgt nicht nur für die intelligenten Sicherheitsfunktionen, sie ermöglicht auch eine standesgemäße Kommunikation über Profinet, Ethercat, EtherNet/IP, Modbus/TCP oder TCP/IP. Stabile Führungen und ein bürstenloser Servomotor gewährleisten zudem eine hohe Robustheit. Erste Pilotapplikationen für den neuen kräftigen Greifer gibt es in der Automotive-Industrie. Doch wenn man sieht, in wie vielen neuen Szenarien, auch außerhalb der Industrie, Cobots eingesetzt werden, würde es uns nicht wundern, das Kraftpaket auch anderwo anzutreffen. Wir halten die Augen offen.

MRK mit Schunk: „Die Anwender sind sehr neugierig!" (Teil 2)

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Wo liegen dann die größten Herausforderungen?

So komplex wie der Mensch, so komplex sind auch die Aspekte der Mensch-Roboter-Kollaboration. Anders als bei herkömmlichen Anlagen genügt es nicht, einfach nur die Norm zu erfüllen. Die Normen fordern zunächst nur, dass weder eine Maschine beschädigt noch ein Bediener ernstlich verletzt werden darf. Das reicht für den täglichen Einsatz jedoch bei Weitem nicht aus. Stellen Sie sich vor, ein MRK-System würde den Bediener 100 Mal am Tag stoßen. Selbst wenn er dabei normgerecht nicht verletzt würde, hätte das System keine Chance auf Akzeptanz. Sie mögen ja auch keinen Arbeitskollegen, der sie ständig anrempelt, auch wenn es nicht weh tut ... Es gilt, den Menschen in den Mittelpunkt sämtlicher Überlegungen zu stellen, nicht das technische System. Der Werker muss dem Roboter vertrauen. Der Greifer muss sich dem Menschen anpassen – nicht umgekehrt.

Stößt so ein Greifer dann nicht an die Grenzen der Komplexität?

Komplexe Systeme müssen heutzutage längst nicht mehr kompliziert sein. Nehmen Sie das Smartphone: Spätestens ab der weiterführenden Schule gehen Kinder vollkommen selbstverständlich mit den dort eingebauten Technologien um: Sie schreiben Nachrichten, surfen im Internet, schauen Filme, fotografieren Tafelaufschriebe, machen Videos von Versuchen, nutzen es als Taschenrechner, zum Bezahlen, als Fahrplan und Stundenplan. All das, ohne ansatzweise darüber nachzudenken, wie das Gerät funktioniert. Neue Apps werden einfach intuitiv ausprobiert, im besten Fall vom Klassenkameraden einmal gezeigt und schon sind sie ins Standardrepertoire aufgenommen. Genau das ist das Zielbild, das wir mit unseren Co-act-Greifern verfolgen: Sie sollen trotz oder besser gesagt gerade aufgrund ihrer Komplexität im Innern von außen möglichst intuitiv nutzbar sein.

Wie sind sie bei dem neuen Großhubgreifer dabei konkret vorgegangen?

Die Herausforderung war es, große Kräfte auf das Werkstück, aber nur kleine Kräfte auf den Menschen wirken zu lassen. Dazu war es nötig, dass der Greifer auch kleine Kräfte sorgfältig bestimmen kann. Wir haben im Co-act EGL-C gleich mehrere Sicherheitsfunktionen realisiert: eine sichere Wegmessung, eine sichere Kraftmessung, die Überprüfung der Nachgiebigkeit sowie ein sicheres Überprüfen der Bremssituation. Hinzu kommt die Möglichkeit der manuellen Öffnung des Greifers im Kollisionsfall. Natürlich hat das Gehäuse des Greifers abgerundete Kanten, um das Verletzungsrisiko bei Stößen zu minimieren. Über ein deutlich erkennbares LED-Lichtsignal ist zudem der aktuelle Status des Greifers intuitiv erkennbar. Das ist besonders wichtig, weil die meisten Roboterarme selber keine Signalfunktionalitäten bieten. Am Ende liegt die Sicherheit dann aber auch stark bei der Software, durch die in der Zusammenführung der Daten aus dem Roboter sowie aus dem Greifer ein Bild der Applikation erstellt wird. Nur dadurch weiß der Greifer, wo genau er fest zupacken darf.

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