
In welcher Tiefe ein Konstrukteur oder Entwickler Dichtungsfachwissen benötigt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. (Bild: Rudie/Fotolia)
Beim Thema Dichtungen unterscheiden sich die Strategien der Anwender ganz erheblich voneinander. Da gibt es Unternehmen wie den Hunger-Konzern oder SKF, die das komplette Know-how im Haus haben, Dichtungen sogar selbst herstellen und verkaufen. Die andere Variante sind Anwender, die sich, wie Roth Industries, auf einen oder mehrere Dichtungshersteller verlassen, selbst wenn die Bauteile eine tragende Rolle im Produkt spielen. Beides hat Vor- und Nachteile.

Grundsätzlich ist es allerdings gar nicht ganz einfach, als Anwender Dichtungs-Know-how in ausreichender Tiefe vorzuhalten. Klaus Schieferdecker, der als Trainer für Dichtungsschulungen an der Internationalen Hydraulik Akademie (IHA) und als Leiter Dichtungstechnik bei Hansa-Flex tätig ist, hält Beratung durch spezialisierte Dichtungstechniker für unerlässlich: „Die Bandbreite ist so groß, dass es wenigen Konstrukteuren überhaupt möglich ist, aus dieser Fülle etwas auszuwählen. Letztendlich suchen sie dann oftmals nach allgemeinem Wissens- und Kenntnisstand nicht die besondere Dichtung aus, die für diese spezielle Anwendung am besten geeignet wäre, sondern irgendwas.“
Dazu komme, dass es nicht für alle Dichtungsbereiche Normen gibt, führt er aus. Bei Hydraulikdichtungen gebe es beispielsweise zwar eine ISO, die Einbauräume empfiehlt. „Aber letztlich ist keine Dichtung für Hydraulik, außer den O-Ringen und Wellendichtringen, in einer europäischen Norm gefasst, was Funktion und Aussehen angeht“, so Schieferdecker. Aufgrund der Bandbreite der Produktvarianten hält es der IHA-Trainer auch für unwahrscheinlich, dass sich an der Situation groß etwas ändert.
Vor allem bei kleineren Unternehmen sei es oft nicht möglich oder erwünscht, Know-how in der benötigten Tiefe aufzubauen, bestätigt Simone Erdmann, Leitung Vertrieb Freiläufe & Dichtungen beim Dichtungshersteller GMN: „Kein Konstrukteur hat die Zeit, sich in alle Themen derart tief einzuarbeiten, dass in jedem Fachbereich ein Optimum erreicht werden kann. Und genau hier bietet die Zusammenarbeit mit einem externen Dichtungsanbieter die Besonderheit für ein Unternehmen. Aufgrund der tiefen fachspezifischen Kenntnisse des Herstellers kann gleich zu Beginn eines Projektes auf relevante Details hingewiesen und so unter Umständen Zeit und Kosten einspart werden.“

Wenn die Möglichkeit besteht, Dichtungswissen ins Unternehmen zu integrieren, lohnt es sich allerdings, genau abzuwägen. So holte sich SKF im Jahr 2006 mit dem Kauf der Economos von der Salzer Holding einen Dichtungshersteller inklusive selbst entwickelter Werkstoffe ins Portfolio.
Auch Ingrid Hunger, Geschäftsführerin von Hunger Hydraulik, sieht strategische Vorteile darin, Dichtungskompetenz im eigenen Unternehmen zu haben. Anfangs hatte das Unternehmen die Dichtungen für seine Hydraulikzylinder durch fremde Hersteller liefern lassen. Allerdings gab es dadurch immer wieder Verzögerungen in der Montage, weil die Dichtungen zu lange Lieferzeiten hatten. So fing das Unternehmen an, diese Komponenten ebenfalls selbst zu fertigen.
„Der Vorteil ist, dass wir dadurch mit unseren Dichtungen sehr nahe am Markt sind“, argumentiert die Geschäftsführerin. „Bei der Auslegung von Hydraulikzylindern ist die Dichtung das wichtigste Teil, denn nur wenn der Zylinder dicht ist, ist er auch gut. Und wir wissen, wie die Zylinder funktionieren, welche Kräfte sie aufnehmen müssen, wie sie auszulegen sind und so hatten wir mit der Entwicklung der Dichtungen immer einen technischen Vorsprung. Wir haben auch als Erste damit angefangen, unsere Dichtungen aus hochwertigen Kunststoffen wie Polyurethan oder PTFE herzustellen, anstatt dem zur damaligen Zeit üblichen Gummi oder Gummigewebe.“
Ingrid Hunger im Interview mit fluid (Quelle: fluid.de)
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