Ziehen effizient wie Stahlseile, sind aber um fünffach leichter: Faserseile in einem

Ziehen effizient wie Stahlseile, sind aber um fünffach leichter: Faserseile in einem Versuchsaufzug. (Bild: ifk)

Hochhausgiganten von der doppelten Höhe des Berliner Fernsehturms verdeutlichen ebenso wie die Gewinnung von Bodenschätzen aus immer größeren Tiefen: Die technischen Anforderungen an Beförderungsmittel steigen. Sie überwinden immer enormere Strecken. Neuerdings kommen dabei Tragseile aus Textil ins Spiel, die womöglich schwere Trossen aus Stahl ersetzen sollen.

Für Personen- und Transportaufzüge entwickeln Textilforscher aus Chemnitz derzeit hochfeste Fasertragseile und wollen damit nach über 150 Jahren die Vormachtstellung von Stahl aushebeln. Ihr Argument: Textile Seile sind bis zu sieben Mal leichter als jene aus metallischen Legierungen. Fachkollegen in Aachen arbeiten indes ebenfalls an textilen Seilen, die bei Ermüdungserscheinungen frühzeitig Alarmsignale zwecks Erneuerung geben.

Smartes Seil

Gut zu erkennen: Der Sensorfaden im Inneren, mit dem sich der genaue Versagenszeitpunkt des smarten Seils exakter bestimmen lässt. Bild: ITA

Tragseile aus Stahl kommen irgendwann an ihre Grenzen, denn mit jedem zu bewältigenden Meter nimmt die Eigenlast des Seils zu und die Nutzlast ab. Das macht es ab einer bestimmten Dimension nahezu unmöglich, überhaupt noch eine zusätzliche Last anzuhängen. „Die Suche nach Maschinenelementen mit geringerem Eigengewicht und damit auch geringerer Antriebsenergie mit gleichen mechanischen Eigenschaften wie Stahl ist in vollem Gange“, sagt Professor Markus Michael vom Institut für Fördertechnik und Kunststoffe (ifk) an der TU Chemnitz. Mit seinem Team erforscht er als Alternative das Fasertragseil. Dieses Hightech-Textil besteht vor allem aus thermoplastischem Kunststoff (Polyethylen) und stahlharten Aramidfasern. Beides wird zunächst zu Garn und anschließend zu Litzen verdreht, um daraus das hochfeste Seil zu flechten.

Leichtbauwerkstoffe ersetzen klassische Materialien

Die Erforschung und Entwicklung von Materialien für Maschinen beschäftige die deutsche Textilforschung schon länger, unterstreicht Klaus Jansen, Chef des Forschungskuratoriums Textil (FKT) als Dachorganisation für bundesweit 16 Textilforschungsinstitute: „Wir haben bereits beim Automobil- und Flugzeugbau miterlebt, wie Leichtbauwerkstoffe in Form technischer Textilien klassische Materialien sinnvoll ergänzen und zum Teil sogar ersetzen können.“ Dass nun die Anlagentechnologie in den Fokus der Forschung rücke, sei „eine logische Folge“.

Zurück zum Fasertragseil für Hochhäuser der Zukunft, die in der Planung schon 800 oder gar 1000 Meter hoch sind. Dauertests einer Aufzugsfirma in Dürmentingen bei Ulm zeigten laut Projektleiter Michael: Das Verbundmaterial, das im konkreten Fall fünf Mal leichter ist als ein Stahlseil, kann mit dessen mechanischen Eigenschaften und seiner Festigkeit mithalten. Außerdem ließen sich spezielle Funktionen in das Fasertragseil integrieren, zum Beispiel Sensoren zur Überlastwarnung oder Messung der Umgebungsbedingungen beziehungsweise zum Verschleißzustand des Materials.

Dr. Klaus Jansen

„Faserführend“: FKT-Geschäftsführer Dr. Klaus Jansen koordiniert Teile der Grundlagenforschung an textilbasierten Leichtbauwerkstoffen der Zukunft. Bild: FKT

Diesen Ansatz verfolgt auch das Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen. Um die Einsatzdauer textilbasierter Seile zu erhöhen, integrieren die Forscher im Projekt „Smart Ropex“ Monitoringsysteme zur Vorhersage des Versagenszeitpunktes im Seile. Momentan sind die Vorhersagen über die Restlebensdauer allerdings noch nicht präzise genug. Laut Professor Michael sind Ausrüstungs- und Wartungsaufwand bei textilen Seilen geringer als bei Stahl. Entsprechend spürbar sei das Interesse der Industrie, nicht nur von Seiten der Aufzugsfirmen: Auch Winden für Hubschrauber, Baugeräte und Windkraftanlagen könnten bald im großen Stil mit Faserseilen ausgestattet werden. Ende 2014 wird der TÜV möglicherweise sein Prüfsiegel für das textile Aufzugsseil erteilen. Erklärtes Ziel der Forscher ist es, das Faserseil in möglichst vielen technischen Anwendungen zum Standard werden zu lassen.

Autor Ronny Eckert, Freier Journalist für FKT

Sie möchten gerne weiterlesen?