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(Bild: nbiebach - Fotolia.com)

Unsere Zukunft soll grün sein. Diese Maxime kann durch einen Trend fast noch wörtlicher genommen werden. Denn die Allrounder, die uns den Weg in eine nachhaltige Zukunft erleichtern könnten sind in der Tat häufig grün. Die Rede ist von Algen.

Algen gehören zwar nicht zur Systematik der Pflanzen, jedoch betreiben auch sie Photosynthese, was sie zu sehr effizienten Speichern für Sonnenenergie macht. Hierbei ist der Vorteil gegenüber Photovoltaikanlagen, dass die Algen die Solarenergie praktisch verlustfrei speichern können und kleinere energetische Vorleistungen betrieben werden müssen, um die Speichertechnologie zu produzieren. Und ihr Vorteil gegenüber Pflanzen? Mikroalgen binden klimaschädliches CO2 zum einen deutlich schneller und zum anderen in größeren Mengen, da es sich um winzige Ein- bis Wenigzeller handelt, bei denen jede Zelle photosynthetisch aktiv ist. Viele Forschungsinstitutionen, wie das Fraunhofer Institut, das Karlsruher Institut für Technologie und diverse biologische Fakultäten deutscher Universitäten widmen einen Teil ihrer Forschung den Mikroalgen. So kann es passieren, dass die grünen Organismen einem nicht mehr nur im Sushi-Restaurant um eine Maki-Rolle gewickelt auf dem Teller begegnen. Seit diesem Jahr kann man während eines Spaziergangs durch Hamburg an einer von Algen umgebenen Hausfassade vorbeikommen. In Hamburg Wilhelmsburg wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA Hamburg) ein Haus mit dem Namen BIQ gebaut. BIQ steht für Bio Intelligenzquotient.

Alge Scenedesmus cf. quadricauda

Die Alge Scenedesmus cf. quadricauda unter dem Mikroskop. Bild: CCAC, Foto: Gerd Günther

Und das Haus scheint in der Tat intelligent zu sein. Es besticht nicht nur mit seinem durch und durch grünen Erscheinungsbild, sondern auch durch seine grünen Fähigkeiten. Wie funktioniert das? In vertikalen Sonnenkonversionslamellen – schmalen Wassertanks, die mit flüssigen Nährstoffen gefüllt sind – findet an der Fassade eine Algenbiomasseproduktion statt. Durch das flüssige Nährmedium der Algen kann zudem noch ein solarthermischer Effekt erzielt werden.

In der hauseigenen Technikzentrale soll die Algenbiomasse abgeschöpft werden und ein Wärmetauscher speist die solarthermische Wärme in das Heizsystem des Hauses ein.

Groß und wirtschaftlich – geht das?

Da man die Mikroalgen als fleißige und genügsame Produzenten von Energie einsetzen möchte, interessieren sich vor allem Energieversorger für die weitere wirtschaftliche Erschließung der Technologie. Das vorrangige Ziel ist, die großtechnische und wirtschaftlich tragbare Kultivierung von Mikroalgen voran zu treiben. Hierzu betreibt E.on Hanse in Hamburg zwei Projekte, die aus technologischer Sicht einem ähnlichen Prinzip folgen, wie man es am BIQ findet. Das Projekt Term (Technologien zur Erschließung der Ressource Mikroalgen) führt das Unternehmen zusammen mit der Firma Strategic Science Consult (SSC) durch. Der hier eingesetzte Photobioreaktor setzt auf eine schnelle Bewegungen des Kulturmediums, was dazu führt, dass die Algen Helligkeit und Dunkelheit in schnellen Abfolgen von wenigen Millisekunden ausgesetzt sind. Man erhofft sich hierdurch ein stark gesteigertes Wachstum der Algen. Das zweite Projekt führt E.on Hanse zusammen mit Subitec durch. Mit einem FPA-Reaktor (Flat-Panel-Airlift-Photobioreaktor) soll eine Erhöhung des Nettoenergiegewinns erreicht werden. Diese Technologie wurde auch von EnBW in Eutingen im Gäu eingesetzt. Drei Module à acht Reaktoren mit je 180 Liter FPA-Reaktoren wurden 2008 als Pilotprojekt aufgebaut und nach Ende der Testphase 2010 planmäßig zurückgebaut. Ein wichtiges Ergebnis des Versuchsreaktors ist, dass es technisch und biologisch möglich ist, CO2 mithilfe von Mikroalgen zu binden, jedoch ist die Bilanz beim heutigen Stand der Technik ernüchternd: Der Energieaufwand für die Produktion der Mikroalgen übersteigt den Energieertrag aus der getrockneten Biomasse.

Neue Technologien für neue Wege

Fassadenreaktoren des BIQ in Hamburg

Die Fassadenreaktoren des BIQ in Hamburg arbeiten mit der Flat-Panel-Airlift-Technologie.

Eine Herausforderung, vor der die Biotechnologie steht, ist die Konstruktion effizienter Anlagen zur Kultivierung der Mikroalgen. Bisher sind die Entwickler dem Prinzip Schwimmbad gefolgt und haben Algen in allen möglichen Formen von Flüssigkeitsbehältern gezüchtet, klar der Idee folgend, dass sich unter bestimmten Bedingungen im Wasser Algen bilden; wie in einem naturbelassenen Schwimmbecken auch. Dies kann man in einem offenen System – also Natureinflüssen ausgesetzt – durchführen oder in einem geschlossenen System, das rein von Menschenhand erschaffene Verhältnisse für die Algen bereitstellt. Bei beiden Ansätzen ist es das Ziel, die Algen in Wassertanks in Bewegung zu halten, damit sie alle gleichstark mit CO2 und Sonnenlicht versorgt werden. Bei dieser Technologie unterscheidet man Folienreaktoren, also schlauchförmig aufgehängte Kunstofffolien, Röhrenreaktoren aus festem Kunststoff oder Glas und Plattenreaktoren, wie sie E.on und EnBW eigesetzt haben. Ein neuerer Ansatz verfolgt eine entgegengesetzte Strategie. Bei sogenannten Twin-Layer-Anlagen sollen sich die Algen gezielt an einer ultra-dünnen Schicht ablagern, während sie über eine zweite Schicht mit Nährstoffen versorgt werden. Hierdurch wird erreicht, dass einer der großen Kostenfaktoren – die Ernte – reduziert wird. In herkömmlichen Reaktoren müssen etwa 998 ml Wasser von zwei ml Algentrockenmasse getrennt werden. Das schafft man durch Zentrifugation, eine Art der Algenernte, die laut Studien bis zu einem Drittel der Produktionskosten ausmacht. Mit der Twin-Layer-Technologie hat man sich entschieden, den Wassergehalt der Zellen auf 80 Prozent zu reduzieren, ein Wasseranteil, den man ungefähr in allen Lebewesen wiederfindet. Ein weiterer Vorteil ist, dass auf aufwendige Umwälzungsmechanismen verzichtet werden kann, die dafür sorgen, dass die Algen gleichmäßig mit Sonnenlicht und CO2 versorgt werden. Die Algen müssen lediglich von der Schicht, auf der sie gewachsen sind abgeschabt werden. Durch diese Art der Algenkultivierung fallen erhebliche Anteile der Kosten weg, die beim Einsatz anderer Technologien für die Produktion aufgewendet werden müssen, und man nähert sich der ökonomischen Tragfähigkeit langsam an.

Alles ist noch offen für die Zukunft

Es wird viel diskutiert, wie man eine nachhaltige und grüne Zukunft schaffen kann. Viele Ansätze zeigen jedoch schnell wieder ihre Kehrseiten: Kraftstoffe und andere Energieprodukte, auf Grundlage nachwachsender Rohstoffe, versprechen eine Lösung für eine weniger von Erdöl abhängende Zukunft. Jedoch rufen diese Ansätze schnell Entwicklungsorganisationen auf den Plan, die kritisieren, dass eine hierdurch entstehende Verknappung der Lebensmittelressourcen zu steigenden Preisen führt; und das mit katastrophalen Folgen für Entwicklungsländer. Hierdurch ausgelöst ist die provokative Frage Teller oder Tank in aller Munde und begleitet die Diskussionen um eine nachhaltige Lösung der Energieversorgung unserer Zukunft. Der Einsatz von Algen scheint den aktuellen Problemen die Stirn bieten zu können und sie in einem Rundumschlag lösen zu können. Der einzige Haken: Die Forschung rund um die Nutzung von Algen steckt seit vielen Jahren in der Testphase und die beschriebenen Projekte sind Pilotprojekte. Die wirtschaftliche Nutzung von Algen ist Zukunftsmusik. Das bedeutet zwar zum Einen, dass das Potenzial der Algen noch nicht an vielen Stellen eingesetzt wird. Zum Anderen bedeutet es aber auch, dass wir das gesamte Potenzial der kleinen Allrounder noch nicht kennen. „Sie stellen die falschen Fragen!“ Das ist eine Aussage, die man aus dem Bereich der Grundlagenforschung immer wieder zu hören bekommt. Sobald aus einer Forschungseinrichtung die Information gesickert ist, dass man es geschafft habe, aus einer neuen Ressource Energie zu gewinnen, steht für die Öffentlichkeit fest: Wir haben die Energielieferanten der Zukunft. In der Forschung geht man ein wenig offener mit den Ergebnissen aus ersten Studien um. Hier stellt man sich vor allem die Frage Was können Algen noch? In welchen anderen Gebieten können sie noch eingesetzt werden? Dies sind die Fragen, die sich die Forscher stellen, denn sie wissen, dass mehr als eine Million Arten Mikroalgen existieren und damit mehr Möglichkeiten bieten, als nur die Energielieferanten der Zukunft zu werden. Wir können also gespannt sein, für welche Probleme die Mikroalgen eine Lösung parat haben.

Von Julia Lansen
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Julia LansenJulia Lansen
Redaktion, ke NEXT

Für die Themen Greentech, Pneumatik, Antriebs- und Elektrotechnik zuständig. Studium der Romanistik in Bonn und Rom sowie Europastudien in Aachen mit einem Zwischenstopp im Herzen der europäischen Politik in Brüssel. Im Berufsleben fasziniert von neuen Trends in der Industrie, privat leidenschaftliche Skifahrerin und Filmeguckerin.

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