Autodesk University 2014: Visionen in Vegas 1

Die Autodesk University hat sich zu einer ganzen Veranstaltungsreihe ausgewachsen: Auf allen Kontinenten laufen regionale Konferenzen. Die unbestrittene Hauptveranstaltung ist jedoch die US-Ausgabe, die traditionell in Las Vegas veranstaltet wird. Sie konnte in diesem Jahr mit einem Besucherrekord aufwarten. Anfang Dezember 2014 trafen sich über 10.000 Teilnehmer im Mandalay Bay Hotel. Die University deckte alle Bereiche der Produktpalette ab; Workshops, Vorträge und gesellschaftliche Events boten eine Fülle an Informationen, aber auch Gelegenheit, Mitarbeiter und andere Anwender kennenzulernen. Es gab wenig neue Versionen dafür umso mehr Visionen. Das Unternehmen und seine Führung machten sich Gedanken um die Entwicklungstechnologien und -philosophien von morgen.

Jeff Kowalski, Chief Technology Officer, holte in seiner Eröffnungsrede weit aus – seit der Erfindung des Faustkeils habe der Mensch immer nur tote Dinge erfunden, eine technologische Parallelwelt zur organischen Welt der Natur erschaffen. Seine Ausführung brachte jedoch einen überraschenden neuen Blick auf unsere Art, Dinge zu entwickeln. Unser heutiger Ansatz, Produkte zu entwickeln, unterscheide sich fundamental vom Vorgehen in der Natur – was natürlich auch Auswirkungen auf die Entwicklungswerkzeuge habe.

Neue Produkte beginnen entweder komplett oder zum Teil „aus dem Nichts“, werden von einem Konstrukteur entwickelt. Die Natur hingegen gehe iterativ vor, baue eine neue Lösung in der Evolution auf der besten vorherigen Lösung auf. Doch es gibt auch Parallelen: In der Natur würden viele Lösungen parallel ausprobiert und die besten weiterentwickelt. Entsprechend arbeiteten heutige Entwicklungssysteme: Das CAD-System diene vor allem dazu, die Ideen des Konstrukteurs zu dokumentieren, die dieser im Kopf erarbeitet hat.

Jeff Kowalski, Autodesk University Keynote

Jeff Kowalski, CTO bei Autodesk, erkennt in der Cloud ungenutzte Möglichkeiten, um die Konstruktion von Bauteilen zu automatisieren.

Die Möglichkeiten der Cloud

Kowalski zeigte neue Ansätze, an denen die Forschungsabteilung des Unternehmens arbeitet – und diese hängen, wie so oft bei Autodesk, mit den Möglichkeiten der Cloud zusammen: „Intelligente Klassifizierung“ und „Generative Design“. Unter intelligenter Klassifizierung versteht Kowalski eine Technologie, die riesige Datenbestände an CAD-Daten durchsucht und Ähnlichkeiten erkennt. Damit lassen sich diese Datenbestände automatisch klassifizieren – und die Erkennung der Ähnlichkeiten bezieht sich nicht nur auf die Geometrie, sondern beispielsweise auch auf die Funktion. So könnte eine „Ideensuchmaschine“ der Zukunft die Eingabe von Aufgaben wie „Übertragung von Energie“ verstehen und verschiedene, im Unternehmen schon vorhandene Lösungen zur Kraftübertragung wie Zahnradgetriebe, Riementriebe und Antriebswellen vorschlagen.

„Generative Design“ bedeutet, die Wachstumsstrategie der Natur nachzubilden: Bäume wachsen immer an den Stellen, an denen sie am stärksten belastet werden, Muskeln bilden sich je nach typischer Belastung. Die Idee ist nicht neu und doch erst mit den heute verfügbaren Computerressourcen – lokal oder in der Cloud – umsetzbar. Autodesk arbeitet an dieser Technologie im Projekt Dreamcatcher. Im ersten Ansatz geht es darum, eine bestehende Geometrie mit den auf sie wirkenden Kräften zu simulieren und so lange Material wegzunehmen, bis die beste Lösung – minimaler Werkstoffeinsatz bei Erfüllung der Lastkriterien – übrig bleibt.

Der zweite Ansatz ist noch radikaler: Warum sollte der Ingenieur eine unvollkommene Lösung erfinden und dann optimieren lassen? Warum entwickelt die Software nicht selbst eine bestmögliche Lösung? Man definiert nur noch die Ansatzpunkte beziehungsweise -geometrie und die Kräfte, und die Software verbindet diese Punkte mit einer Struktur, die den Anforderungen durch die Kräfte entspricht. Das Resultat solcher Entwicklungsprozesse sieht interessanterweise sehr oft sehr organisch aus und erfordert sehr oft generative Fertigungsverfahren – auch hier also kommt eine technische Entwicklung zur rechten Zeit, um die neue Art der Entwicklung zu ermöglichen.

  • 2014: 192 Millionen
  • 2009: 5 Millionen

Verbreitungsstrategie: Die Zahl der Studenten, die mit der „Subscribe to Autodesk“-Lizenz kostenlos mit den Programmen des Unternehmens arbeiten, hat sich in den letzten fünf Jahren kräftig erhöht: Waren es vor fünf Jahren noch fünf Millionen, nutzten 2014 schon 192 Millionen Studenten das Angebot.

E-Mail ade

Ein wichtiges Thema im Vortrag von Autodesk-CEO und Präsident Carl Bass war Kollaboration. An Stelle digitalisierter Abbilder althergebrachter Kommunikation – schließlich ist eine E-Mail schon dem Namen nach die digitale Entsprechung eines Briefs – sollten neue Verfahren treten, wie sie A 360 bietet, die Kollaborationslösung und Basis aller 360-Cloudangebote. Bass zeigte die weitreichenden Kollaborationsfunktionen zur Zusammenarbeit in Projekten in Fusion 360, das auf A 360 aufbaut.

Bass will Techniken aus der Softwareentwicklung für die Mechanikkonstruktion nutzen, beispielsweise das Branching (Verzweigen), das Fusion 360 demnächst beherrschen soll. Will jemand eine bestimmte Funktion des Programms weiterentwickeln, erstellt er einen „Fork“, eine virtuelle Zweitkopie des aktuellen Stands der Software. In diesem Zweig kann er dann entwickeln. Der Fork lässt sich herunterladen, dann entsteht ein Abbild der kompletten Software inklusive der Änderungen. Parallel dazu ist der „main“-Zweig immer verfügbar. Ist die Entwicklung fertiggestellt, kann der Fork in den Hauptzweig zurückgeleitet werden (merging), dann ist die Änderung in der offiziellen Version angekommen.

Carl Bass, Autodesk University Keynote

Autodesk-CEO und Präsident, Carl Bass, schlägt vor, Techniken aus der Softwareentwicklung auch in der Konstruktion zu verwenden.

Diese Idee auf den Konstruktionsprozess zu übertragen, ist eine bestechende Idee. Grundsätzlich ist auch dies nichts Neues, Fusion 360 versteht es jedoch, den Verwaltungsaufwand hinter dem Branching und Merging unsichtbar zu machen. Der Anwender muss nicht in ein PDM-System wechseln, dort eine neue Revision erstellen und wieder ins CAD-System wechseln, sondern kann direkt in Fusion einen Zweig erstellen. Darüber hinaus beherrschen bestehende Systeme zwar typischerweise das Verzweigen, aber nicht das Wieder-eingliedern des Zweigs. Vor allem wenn mehrere Zweige parallel laufen – an jeweils anderen Stellen des Projekts – wird das Zusammenführen schnell eine sehr unübersichtliche Aufgabe.

Fusion nutzt die Computerleistung der Cloud, um beispielsweise Renderings „auf Verdacht“ zu erzeugen. Die Cloud stellt so viel Leistung zur Verfügung, dass auch einmal umsonst gerendert werden kann. Ähnliches lässt sich auch für die Simulation vorstellen – im Hintergrund wird das Teil nach jeder Änderung berechnet, der Konstrukteur kann jederzeit nachsehen, wie gut sein Bauteil die Anforderungen erfüllt.

Die nächsten internationalen Termine der Autodesk University:

  • Johannesburg: 10. Juni 2015
  • Mumbai: 6. bis 7. August 2015
  • Sydney: 20. bis 21. August 2015
  • Tokio: noch nicht bekannt
  • Sao Paulo: 3. September 2015
  • Moskau: 16. September 2015
  • Darmstadt: 13. bis 14. Oktober 2015
  • Peking: 5. bis 6. November 2015
  • Mexico City: 11. November 2015
  • Las Vegas: 1. bis 3. Dezember 2015
  • Dubai: 9. bis 10. Dezember 2015
  • Jakarta: noch nicht bekannt

Autor: Ralf Steck, freier Autor für ke NEXT

Die Highlights der Keynote der 2014er Ausgabe der Autodesk University können Sie auch als Video ansehen:

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