Magazino-Gründer Nikolas Engelhard, Lukas Zanger und Frederik Brantner,
Nikolas Engelhard, Lukas Zanger und Frederik Brantner (v.l.n.r.) sind die drei Gründer von Magazino. ke NEXT sprach mit Frederik Brantner in München über das Start-up und seine Lösungen für die Logistik der Zukunft. (Bild: Siemens)

Was genau macht Magazino?

Magazino macht Robotik für die Logistik. Es geht uns immer darum einzelne Objekte zu handeln; also nicht ganze Tablare, Kisten oder Paletten, sondern das einzelne Stückgut. Und das können unsere Roboter sogar autonom. Dem liegt ein große Wandel in der Robotik zugrunde: Früher haben Roboter – und das können sie seit 20 Jahren sehr gut – wiederholgenau und sehr schnell immer den gleichen Schweißpunkt gesetzt. Wir bauen jetzt Roboter, die auf ihre Umgebung reagieren können. Das heißt, selbst wenn ein Mensch oder ein Objekt plötzlich an einer anderen Position stehen,  muss der Roboter sich zuverlässig zurechtfinden können.

Wenn man sich nun einmal Toru anschaut, was an dem Roboter ist alles aus dem Hause Magazino?

Die Idee zu Toru, dazu wie er konstruiert ist und wie er funktioniert, ist komplett von uns. Aber das hätten wir nicht schaffen können, wenn es nicht den deutschen Maschinen- und Anlagenbau gäbe. Das heißt, wir setzen auf sehr viele Komponenten, die andere vor uns schon entwickelt haben: Wir müssen keine neuen Motoren bauen und wir müssen auch keinen Sensor neu entwickeln. Das ist ein großer Vorteil, den wir in Deutschland haben: zwischen München und Stuttgart finden wir ungefähr alle Bauteile, die wir für unseren Roboter brauchen. Für das Greifen wiederum haben wir eigene Sensorik mit dem Sheet-of-Light-Verfahren entwickelt. Auch Design und High-Level-Steuerung kommen von uns sowie die ganze Software, welche natürlich einen Großteil des Produktes ausmacht.

Warum wird ein Roboter wie Toru von einem Start-up gebaut? Warum macht das nicht ein großer Roboterhersteller wie ein Kuka oder Fanuc?

Es gibt viele Startups und Unternehmen, die sich in irgendeiner Form mit Robotik beschäftigen – da sind wir wirklich nicht die einzigen. Wir sind auch nicht die, die eine nächste Weltrevolution in Bezug auf einen spezifischen Sensor entwickelt hätten. Wir kombinieren Komponenten, die zum Teil bereits existieren mit solchen, die wir selber entwickelt haben und schneiden das dann auf einen spezifischen Anwendungsfall zu. So haben wir einen der ersten perzeptionsgesteuerten, autonomen Roboter entwickelt und gebaut, der sich bereits im Feld im Einsatz befindet. Viele Roboter dieser Art werden in Forschungseinrichtungen konstruiert, sind aber nicht im Einsatz. Andere Roboter sind wiederum deterministisch vorprogrammiert und machen immer gleiche Bewegungen.

Nun dazu, warum wir das machen und nicht die anderen. Es gibt ein berühmtes Buch von Clayton Christensen, The Innovator’s Dilemma, in dem er beschreibt, warum große Unternehmen und Konzerne sich mit Innovationen schwertun. Laut Christensen wäre es für die Unternehmen irrational, solche neuen Wege zu gehen. Sie müssten einen kompletten Technologieschwenk vollziehen und sich von ihrer alten Technologie verabschieden. Sie müssten dafür ein komplett neues Team aufbauen und neue Kunden finden.

Was heißt das jetzt auf uns bezogen? Wenn ich einen perzeptionsgesteuerten, autonomen Roboter bauen möchte, dann kann ich ihn nicht mit einer klassischen SPS bauen. Eine SPS ist nicht in der Lage – oder nur unter extremem Aufwand – einen Roboter zu steuern, der vollkommen autonom agieren kann, der sich frei und parallel im Betrieb mit Menschen bewegen kann und der dann auch noch mit Computervision-Komponenten ausgestattet ist. Das heißt, wenn ich jetzt als klassischer Automatisierer, wie Swisslog, Dematic oder SSI Schäfer, diesen Weg in der Logistik gehen möchte, dann müsste ich komplett auf neue Technologien setzen, müsste ein komplett neues Team aufbauen, ich könnte die ganzen SPS-Programmierer, die ich bis jetzt dafür hatte, nicht mehr brauchen. Ich müsste neue Leute einstellen. Das ist ein riesen Schwenk, der viele zurückhält.

Haben Kunden Bedenken, eine Lösung von einem so jungen, kleinen Unternehmen zu kaufen?

Man könnte die Frage auch erst einmal so stellen: Warum kauft jemand einen Roboter, der auf ROS – dem Roboter Operating System – läuft? Das ist ja eher aus der Forschung bekannt und es könnte abschrecken, weil da keine SPS drinsteckt. Das sehe ich ganz einfach: unserer Roboter ist der einzige, der ein bestimmtes Problem lösen kann. Der E-Commerce-Bereich ist in Ländern mit sehr hohen Lohnkosten angesiedelt und gerade hier gibt es keine funktionierende oder passende, flexible automatisierte Lösung. Hier bieten wir eine Lösung an, die sich rechnet. Wir bieten einen Roboter, der in Sachen Cost-pro-Pick günstiger ist als der Mensch. Dementsprechend ist es für denjenigen, der sich damit beschäftigt, wie man Lager effizienter bewirtschaften kann, der einzig gangbare Weg.

Wir haben erstaunlicherweise gar keine Probleme mit den großen Fulfillment-Anbietern. Ich würde sagen, von den Top 10 sind die Top 7 entweder schon zu uns nach München geflogen, stehen mit uns im Kontakt oder wir stehen mit ihnen in Vertragsverhandlungen. Sie alle sehen, dass sich der Markt radikal ändert. Zuerst gab es Pick-by-Voice oder Pick-by-Light. Dem Menschen wurde gesagt oder per Lichtsignal mitgeteilt, was er machen soll. Dann gab es die Idee mit Pick-by-Vision, also Google Glasses, die die Menschen optimieren sollten. Das sind in meinen Augen alles Übergangstechnologien. Es sind alles Wege, dem Menschen das Leben einfacher zu machen, ihn aber auch extrem zu takten und irgendwie ein Stückweit auch fernzusteuern. Daher sind wir davon überzeugt, dass Pick-by-Robot die Zukunft sein wird. Und das sehen die großen Anbieter genauso. Und dann, wenn es nicht so viele Anbieter auf dem Markt gibt, dann kommen sie auch zu einem kleinen Startup.

Wenn man nun einen Blick in die Zukunft wagt, wann werden Roboter in Lagerhallen alleine arbeiten?

Ich glaube, dass es schneller geht als wir denken, aber auch, dass der Mensch immer eine Rolle spielen wird. Die menschenleere Fabrik oder menschenleere Lagerhalle wird es noch lange Zeit nicht geben, aber Roboter werden in meinen Augen in den nächsten vier bis fünf Jahren massiv in Lagern eingesetzt, weil sie einfach bestimmte Dinge immer besser können, als sie es bisher konnten.

Das Gespräch führte Julia Lansen, Redaktion

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